Die Kurfürsten (von "Kur"=Wahl) galten als "Säulen des Reiches" und repräsentierten gemeinsam mit dem Kaiser das Reich. Das Kurfürstenkollegium war eine wesentliche Keimzelle des ganzen Reichstags; es konnte schon im SpätMA pars pro toto als eine repräsentative Korporation für das ganze Reich verbindlich handeln, indem es den Kaiser wählte.
Nach ursprünglichen Vorstellung vom Wahlrecht des ganzen "Volkes" verfestigte sich seit dem HochMA die Gruppe der Kurfürsten als alleinige Königswähler.
Nämlich: die drei rheinischen Erzbischöfe Mainz, Köln, Trier; der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg.
Die Herausgehobenheit wurde nachträglich begründet und legitimiert mit Erzämtertheorie: Die weltlichen Kurfürsten versahen am Königshof die Hofämter Mundschenk, Truchseß, Marschall, Kämmerer. Die drei geistl. Kurfürsten hatten die Ämter von Reichserzkanzlern inne: Mainz für Deutschland, Köln für Italien, Trier für "Gallien". Der Pfalz kommt im fränkisch-rheinischen, westlichen Teil des Reiches, Sachsen im östlichen Teil das sog. Reichsvikariat zu, d.h. das Recht zur Vertretung des Königs bei Thronvakanz. (Warum es genau diese Fürsten und keine anderen sind, die das Königswahlrecht monopolisieren konnten, darüber gibt es in der Forschung geteilte Meinungen. Fest steht aber: Das Ehrenvorrecht der Erstkurstimme führte auf Dauer zum Ausschluß aller anderen vom Wahlrecht.)
Diese Wählergruppe wurde in der Goldenen Bulle von 1356 als feste Korporation mit bestimmten gemeinsamen Privilegien endgültig festgeschrieben und entwickelte sich zums institutionellen Zentrum der Reichsverfassung. Die Goldene Bulle stellte sicher, daß es bei der Königswahl immer zu einer eindeutigen und sicheren Entscheidung kam. Dazu dienten Bestimmungen, die sicherstellten, daß sich die Zusammensetzung des Kollegiums nicht änderte (Festlegung des Erstgeburtsrechts und Unteilbarkeit der Kurländer), daß es nicht zu Rangkonflikten kam (Fixierung des zeremoniellen Rangs im Gehen, Stehen und Sitzen); daß die Kurfürsten sich allein versammeln durften, und - das wohl wichtigste - daß grundsätzlich das Mehrheitsprinzip galt. (Das war in der Vormoderne eher unüblich, weil es Zählbakeit und damit Gleichheit der Stimmen voraussetzte und weil es realen Konsens, "unanimitas", ersetzte durch das Prinzip, daß der Wille der Mehrheit als Wille der Gesamtheit gelte.)
Das Kurfürstenkollegium repräsentierte - nach der Lehre der spätmittelalterlichen Korporationstheorie (verwandte Themen Korporation) - das Reich als Ganzes in einem doppelten Sinne: Die Kurfürsten konnten verbindlich für das Ganze handeln (eben weil sie dieses moderne Verfahren ausgebildet haben); und sie repräsentierten das Reich gemeinsam mit dem Kaiser in dem Sinne, daß ihr gemeinsames, feierliches öffentliches Auftreten die Majestät des Reiches sichtbar zur Erscheinung brachte. Deshalb sind auf Abbildungen "des Reiches" sehr oft allein Kaiser und Kurfürsten dargestellt.
Bildquelle: Sitzordnung der Kurien auf den Reichstagen
Kupferstich von Peter Troschel, 1675
Veränderungen in der FNZ
Trotz der Vorkehrungen der Goldenen Bulle wurde die Zusammensetzung des Kurfürstenkollegs im Lauf der FNZ verändert.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Kurfürst von der Pfalz geächtet; der Herzog von Bayern, Maximilian I., aus derselben Dynastie Wittelsbach, erhielt daraufhin als streng katholischer Helfer des Kaisers diese Kurwürde übertragen (1623). Als im Westfälischen Frieden der Pfälzer dir Kurwürde zurückbekam, behielt der Bayer aber trotzdem die Kur: Es gab also jetzt 8 Kurstimmen. 1777/78 fielen die beiden wittelsbachischen Linien wieder zusammen, damit reduzierten sich die beiden Kurstimmen Pfalz und Bayern wieder auf eine.
Der Herzog von Braunschweig-Lüneburg bemühte sich um eine Kurstimme und erhielt sie 1692 vom Kaiser übertragen, vom Reichstag wurde das aber erst 1708 anerkannt.
Der böhmische König war zwar Kurfürst, wurde aber von den neuen Reichsinstitutionen seit Beginn des 16. Jhs. ausgenommen, d.h. führte seine Stimme nicht auf dem Reichstag und in den anderen Reichsgremien. 1708 setzte Kaiser Joseph I. durch, daß der böhmische Kurfürst (d.h. er selber als König von Böhmen) in allen Gremien seine Stimme wieder führte ("Readmission der böhmischen Kur").
Ganz kurz vor Ende des Reiches, 1803, kam es zu einer inflationären Vermehrung der weltlichen Kurfürstentümer und zugleich zur Auflösung der Kurfürstentümer Mainz und Köln.
Quellenedition und viele andere Informationen zur Goldenen Bulle:
zurück www.people.freenet.de/heckmann.werder/GoldeneBulleDeutsch.htm
Die Kurfürsten (von "Kur"=Wahl) galten als "Säulen des Reiches" und repräsentierten gemeinsam mit dem Kaiser das Reich. Das Kurfürstenkollegium war eine wesentliche Keimzelle des ganzen Reichstags; es konnte schon im SpätMA pars pro toto als eine repräsentative Korporation für das ganze Reich verbindlich handeln, indem es den Kaiser wählte.
Nach ursprünglichen Vorstellung vom Wahlrecht des ganzen "Volkes" verfestigte sich seit dem HochMA die Gruppe der Kurfürsten als alleinige Königswähler.
Nämlich: die drei rheinischen Erzbischöfe Mainz, Köln, Trier; der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg.
Die Herausgehobenheit wurde nachträglich begründet und legitimiert mit Erzämtertheorie: Die weltlichen Kurfürsten versahen am Königshof die Hofämter Mundschenk, Truchseß, Marschall, Kämmerer. Die drei geistl. Kurfürsten hatten die Ämter von Reichserzkanzlern inne: Mainz für Deutschland, Köln für Italien, Trier für "Gallien". Der Pfalz kommt im fränkisch-rheinischen, westlichen Teil des Reiches, Sachsen im östlichen Teil das sog. Reichsvikariat zu, d.h. das Recht zur Vertretung des Königs bei Thronvakanz. (Warum es genau diese Fürsten und keine anderen sind, die das Königswahlrecht monopolisieren konnten, darüber gibt es in der Forschung geteilte Meinungen. Fest steht aber: Das Ehrenvorrecht der Erstkurstimme führte auf Dauer zum Ausschluß aller anderen vom Wahlrecht.)
Diese Wählergruppe wurde in der Goldenen Bulle von 1356 als feste Korporation mit bestimmten gemeinsamen Privilegien endgültig festgeschrieben und entwickelte sich zums institutionellen Zentrum der Reichsverfassung. Die Goldene Bulle stellte sicher, daß es bei der Königswahl immer zu einer eindeutigen und sicheren Entscheidung kam. Dazu dienten Bestimmungen, die sicherstellten, daß sich die Zusammensetzung des Kollegiums nicht änderte (Festlegung des Erstgeburtsrechts und Unteilbarkeit der Kurländer), daß es nicht zu Rangkonflikten kam (Fixierung des zeremoniellen Rangs im Gehen, Stehen und Sitzen); daß die Kurfürsten sich allein versammeln durften, und - das wohl wichtigste - daß grundsätzlich das Mehrheitsprinzip galt. (Das war in der Vormoderne eher unüblich, weil es Zählbakeit und damit Gleichheit der Stimmen voraussetzte und weil es realen Konsens, "unanimitas", ersetzte durch das Prinzip, daß der Wille der Mehrheit als Wille der Gesamtheit gelte.)
Das Kurfürstenkollegium repräsentierte - nach der Lehre der spätmittelalterlichen Korporationstheorie (Korporation) - das Reich als Ganzes in einem doppelten Sinne: Die Kurfürsten konnten verbindlich für das Ganze handeln (eben weil sie dieses moderne Verfahren ausgebildet haben); und sie repräsentierten das Reich gemeinsam mit dem Kaiser in dem Sinne, daß ihr gemeinsames, feierliches öffentliches Auftreten die Majestät des Reiches sichtbar zur Erscheinung brachte. Deshalb sind auf Abbildungen "des Reiches" sehr oft allein Kaiser und Kurfürsten dargestellt.
Kupferstich von Peter Troschel, 1675
Veränderungen in der FNZ
Trotz der Vorkehrungen der Goldenen Bulle wurde die Zusammensetzung des Kurfürstenkollegs im Lauf der FNZ verändert.
- Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Kurfürst von der Pfalz geächtet; der Herzog von Bayern, Maximilian I., aus derselben Dynastie Wittelsbach, erhielt daraufhin als streng katholischer Helfer des Kaisers diese Kurwürde übertragen (1623). Als im Westfälischen Frieden der Pfälzer dir Kurwürde zurückbekam, behielt der Bayer aber trotzdem die Kur: Es gab also jetzt 8 Kurstimmen. 1777/78 fielen die beiden wittelsbachischen Linien wieder zusammen, damit reduzierten sich die beiden Kurstimmen Pfalz und Bayern wieder auf eine.
- Der Herzog von Braunschweig-Lüneburg bemühte sich um eine Kurstimme und erhielt sie 1692 vom Kaiser übertragen, vom Reichstag wurde das aber erst 1708 anerkannt.
- Der böhmische König war zwar Kurfürst, wurde aber von den neuen Reichsinstitutionen seit Beginn des 16. Jhs. ausgenommen, d.h. führte seine Stimme nicht auf dem Reichstag und in den anderen Reichsgremien. 1708 setzte Kaiser Joseph I. durch, daß der böhmische Kurfürst (d.h. er selber als König von Böhmen) in allen Gremien seine Stimme wieder führte ("Readmission der böhmischen Kur").
- Ganz kurz vor Ende des Reiches, 1803, kam es zu einer inflationären Vermehrung der weltlichen Kurfürstentümer und zugleich zur Auflösung der Kurfürstentümer Mainz und Köln.
Quellenedition und viele andere Informationen zur Goldenen Bulle: