Reichsreform

Umstrittener Begriff für die stärkere Institutionalisierung des Reichsverbandes um das Jahr 1495 herum ("Reformreichstag" von Worms).

 

Strukturelle Wandlungen des 15. Jhs. hatten Probleme erzeugt, die von einzelnen Fürsten allein nicht zu lösen waren, und einen neuartigen, gemeinsamen politischen Handlungsbedarf hervorgebracht. Äußere Gefahren (Hussitenkriege, burgundische Expansion, Türkengefahr, französische Expansion in Italien etc.) erzwangen engere Kooperation der Reichsfürsten und -städte miteinander und mit dem Kaiser. Die Hauptaufgaben waren Herstellung des Reichslandfriedens, d.h. Durchsetzung eines allgemeinen Fehdeverbots; effiziente Gerichtsbarkeit gegen Friedenstörer; Aufbringung von Steuern für Verteidigungszwecke.

 

Unter der Herrschaft Maximilians I. wurden im Reich die Weichen für die strukturelle Entwicklung der nächsten 300 Jahre gestellt. Man spricht vom sog. Zeitalter der Reichsreform - was aber irreführend ist: es handelte sich nicht um eine Reform im modernen Sinne, reformatio verstand sich als Rückkehr zur guten alten Ordnung; es gab kein gezieltes, planmäßiges Vorgehen, sondern pragmatisches Handeln in der Auseinandersetzung mit den jeweils sich stellenden Problemen, Kompromisse von Tag zu Tag. Daraus erwuchsen in der Tat aber neue Strukturen, die einen Institutionalisierungs- und Verrechtlichungsschub des Reiches bedeuteten. Sie bewirkten im Kern, daß die Reichsglieder auf der zentralen Ebene des Reiches als Gesamtverband in relativ festen institutionalisierten Formen zusammenarbeiteten (aber nach wie vor dabei auch konkurrierende Partikularinteressen verfolgten).

 

Der Reichstag von Worms 1495 bildete den Kulminationspunkt dieses Verdichtungsprozesses. Hier taucht auch erstmals die Bezeichnung "Reichstag" auf. Maßgeblichen persönlichen Einfluß auf die dort beschlossenen Gesetze hatte der Erzbischof und Kurfürst von Mainz als Reichserzkanzler, Berthold von Henneberg. Kompromisse zwischen Kaiser (der vor allem Geld brauchte) und Reichsständen führten zu vier miteinander zusammenhängenden grundlegenden Reformgesetzen im "Reichsabschied" von 1495:

"Ewiger Reichslandfriede": zeitlich unbefristetes, immerwährendes, unbedingtes Fehdeverbot.

Einrichtung des verwandte ThemenReichskammergerichts (genauer: "des Kaisers und des Reichs Kammergericht") zur Sicherung dieses Landfriedens, der nur funktionierte, wenn man statt mit Gewalt auf dem Rechtsweg sein Recht suchen konnte. (In Reaktion auf das ständisch besetzte und beeinflußte RKG erließ Maximilian I. 1498 eine neue Ordnung für den Reichshofrat ( www.zeitenblicke.historicum.net/2004/03/index.htm) als höchstes Kaiserliches Gericht in Wien.)

verwandte Themen Gemeiner Pfennig zur Finanzierung der Reformen

"Handhabung Friedens und Rechts", ein Gesetz zur Ausführung dieser Reformen, das insbesondere die Reichstage betrifft, die nun regelmäßig jedes Jahr einberufen werden sollten, was sich aber nicht realisieren ließ.

Bewertung: Das Ergebnis des Wormser Reichstags von 1495 waren nicht nur die vier Reformgesetze - zumal sie nicht alle von dauerhaftem Erfolg waren -, sondern: "vor allem das faktische Akzeptieren des funktionierenden RT durch den König und die Gewöhnung der politischen Elite an ein monatelanges politisch organisiertes beisammensein und Zusammenwirken" (Literatur Moraw, S.34). Die Reichsstände lernten immer mehr zwischen Reichs- und dynastischen Interessen zu unterscheiden und entwickelten damit die Reichsverfassung in der konkreten Praxis weiter, und zwar in kleinen Schritten und ohne vorherige Kenntnis des Endziels.

Umstrittener Begriff für die stärkere Institutionalisierung des Reichsverbandes um das Jahr 1495 herum ("Reformreichstag" von Worms).

Strukturelle Wandlungen des 15. Jhs. hatten Probleme erzeugt, die von einzelnen Fürsten allein nicht zu lösen waren, und einen neuartigen, gemeinsamen politischen Handlungsbedarf hervorgebracht. Äußere Gefahren (Hussitenkriege, burgundische Expansion, Türkengefahr, französische Expansion in Italien etc.) erzwangen engere Kooperation der Reichsfürsten und -städte miteinander und mit dem Kaiser. Die Hauptaufgaben waren Herstellung des Reichslandfriedens, d.h. Durchsetzung eines allgemeinen Fehdeverbots; effiziente Gerichtsbarkeit gegen Friedenstörer; Aufbringung von Steuern für Verteidigungszwecke.

Unter der Herrschaft Maximilians I. wurden im Reich die Weichen für die strukturelle Entwicklung der nächsten 300 Jahre gestellt. Man spricht vom sog. Zeitalter der Reichsreform - was aber irreführend ist: es handelte sich nicht um eine Reform im modernen Sinne, reformatio verstand sich als Rückkehr zur guten alten Ordnung; es gab kein gezieltes, planmäßiges Vorgehen, sondern pragmatisches Handeln in der Auseinandersetzung mit den jeweils sich stellenden Problemen, Kompromisse von Tag zu Tag. Daraus erwuchsen in der Tat aber neue Strukturen, die einen Institutionalisierungs- und Verrechtlichungsschub des Reiches bedeuteten. Sie bewirkten im Kern, daß die Reichsglieder auf der zentralen Ebene des Reiches als Gesamtverband in relativ festen institutionalisierten Formen zusammenarbeiteten (aber nach wie vor dabei auch konkurrierende Partikularinteressen verfolgten).

Der Reichstag von Worms 1495 bildete den Kulminationspunkt dieses Verdichtungsprozesses. Hier taucht auch erstmals die Bezeichnung "Reichstag" auf. Maßgeblichen persönlichen Einfluß auf die dort beschlossenen Gesetze hatte der Erzbischof und Kurfürst von Mainz als Reichserzkanzler, Berthold von Henneberg. Kompromisse zwischen Kaiser (der vor allem Geld brauchte) und Reichsständen führten zu vier miteinander zusammenhängenden grundlegenden Reformgesetzen im "Reichsabschied" von 1495:

  • "Ewiger Reichslandfriede": zeitlich unbefristetes, immerwährendes, unbedingtes Fehdeverbot.
  • Einrichtung des Reichskammergerichts (genauer: "des Kaisers und des Reichs Kammergericht") zur Sicherung dieses Landfriedens, der nur funktionierte, wenn man statt mit Gewalt auf dem Rechtsweg sein Recht suchen konnte. (In Reaktion auf das ständisch besetzte und beeinflußte RKG erließ Maximilian I. 1498 eine neue Ordnung für den Reichshofrat (http://www.zeitenblicke.historicum.net/2004/03/index.htm) als höchstes Kaiserliches Gericht in Wien.)
  • Gemeiner Pfennig zur Finanzierung der Reformen
  • "Handhabung Friedens und Rechts", ein Gesetz zur Ausführung dieser Reformen, das insbesondere die Reichstage betrifft, die nun regelmäßig jedes Jahr einberufen werden sollten, was sich aber nicht realisieren ließ.

Bewertung: Das Ergebnis des Wormser Reichstags von 1495 waren nicht nur die vier Reformgesetze - zumal sie nicht alle von dauerhaftem Erfolg waren -, sondern: "vor allem das faktische Akzeptieren des funktionierenden RT durch den König und die Gewöhnung der politischen Elite an ein monatelanges politisch organisiertes beisammensein und Zusammenwirken" (Moraw, S.34). Die Reichsstände lernten immer mehr zwischen Reichs- und dynastischen Interessen zu unterscheiden und entwickelten damit die Reichsverfassung in der konkreten Praxis weiter, und zwar in kleinen Schritten und ohne vorherige Kenntnis des Endziels.