Sozialdisziplinierung

(af) Das von Gerhard Oestreich entwickelte Konzept der Sozialdisziplinierung kann als spezifisch deutsche Modenisierungstheorie verstanden werden, oft wird sie parallel zum Prozess der Zivilisation von Elias und der Rationalisierungstheorie Max Webers gestellt. Oestreich bezog sein idealtypisches Modell auf die Staatsbildung im Rahmen des absolutistischen Staates. Das „neue“ an diesem Konzept ist seine Abgrenzung von der rein politischen oder wirtschaftshistorischen Forschung, dementsprechend versteht es Winfried Schulze als „Emanzipation von der politisch-dynastischen Geschichtsschreibung“ (Literatur Schulze, Sozialdisziplinierung, 271). Gerhard Oestreich versteht die Sozialdisziplinierung „als Fundamentalvorgang, als Grundtatsache und als Leitidee“ des absolutistischen Zeitalters, die Staat und Gesellschaft verändert hätte. Sie hatte eine bedeutsame gesellschaftliche Wirkung auf „die geistig-moralische und psychologische Strukturveränderung des politischen, militärischen, wirtschaftlichen Menschen“ (Literatur Oestreich, Strukturprobleme, 187-188).

Das Sozialdisziplinierungskonzept besteht aus verschiedenen Stufen:

 

Sozialregulierung: Bemühen vor allem der Städte auf die Auflösungserscheinung der ständischen Gesellschaft zu reagieren und das menschliche Leben und Verhalten zu regulieren (Landes-, Policey-, Kirchenordnungen).

Stabsdisziplinierung: Disziplinierung des Heeres nach neostoischen Prinzipien (z.B. vgl. oranische Heeresreform), Einübung von Gehorsam und Disziplin, der Disziplinierung des Heeres folgt die des „sitzenden Heeres“, also der Beamtenschaft, Ziel: Kontrolle und Affektbewältigung als Grundvoraussetzung einer geordneten Herrschaft.

Ausgreifen der Disziplinierung auf die gesamte Bevölkerung. Der Aufgeklärte Absolutismus als Schluss- und Höhepunkt der Sozialdisziplinierung, erfasste jeden Bereich des staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens.

Oestreich versteht sein Konzept als einen rein säkularen Vorgang. Im Gegensatz zur früheren Kirchenzucht nutzt es nicht mehr geistliche oder soziale, sondern rechtliche Sanktionsmittel (Verrechtlichung).

Literatur Gerhard Oestreich, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: Ders., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze. Berlin 1969, 179-197.

Literatur Winfried Schulze, Gerhard Oestreichs Begriff „Sozialdisziplinierung“ in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 14, 1987, 265-302.

Literatur Stefan Breuer, Sozialdisziplinierung, Probleme und Problemverlagerung eines Konzeptes bei Max Weber, Gerhard Oestreich und Michel Foucault, in: C. Sachße/ F. Tennstedt (Hrsg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung. Frankfurt a.M. 1986, 45-69.

Literatur Michael Prinz, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung. Neuere Fragestellungen in der Sozialgeschichte der frühen Neuzeit, in: WF 42, 1992, 1-25.

(af) Das von Gerhard Oestreich entwickelte Konzept der Sozialdisziplinierung kann als spezifisch deutsche Modenisierungstheorie verstanden werden, oft wird sie parallel zum Prozess der Zivilisation von Elias und der Rationalisierungstheorie Max Webers gestellt. Oestreich bezog sein idealtypisches Modell auf die Staatsbildung im Rahmen des absolutistischen Staates. Das „neue“ an diesem Konzept ist seine Abgrenzung von der rein politischen oder wirtschaftshistorischen Forschung, dementsprechend versteht es Winfried Schulze als „Emanzipation von der politisch-dynastischen Geschichtsschreibung“ ( Schulze, Sozialdisziplinierung, 271). Gerhard Oestreich versteht die Sozialdisziplinierung „als Fundamentalvorgang, als Grundtatsache und als Leitidee“ des absolutistischen Zeitalters, die Staat und Gesellschaft verändert hätte. Sie hatte eine bedeutsame gesellschaftliche Wirkung auf „die geistig-moralische und psychologische Strukturveränderung des politischen, militärischen, wirtschaftlichen Menschen“ ( Oestreich, Strukturprobleme, 187-188).
Das Sozialdisziplinierungskonzept besteht aus verschiedenen Stufen:

  1. Sozialregulierung: Bemühen vor allem der Städte auf die Auflösungserscheinung der ständischen Gesellschaft zu reagieren und das menschliche Leben und Verhalten zu regulieren (Landes-, Policey-, Kirchenordnungen).
  2. Stabsdisziplinierung: Disziplinierung des Heeres nach neostoischen Prinzipien (z.B. oranische Heeresreform), Einübung von Gehorsam und Disziplin, der Disziplinierung des Heeres folgt die des „sitzenden Heeres“, also der Beamtenschaft, Ziel: Kontrolle und Affektbewältigung als Grundvoraussetzung einer geordneten Herrschaft.
  3. Ausgreifen der Disziplinierung auf die gesamte Bevölkerung. Der Aufgeklärte Absolutismus als Schluss- und Höhepunkt der Sozialdisziplinierung, erfasste jeden Bereich des staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens.
    Oestreich versteht sein Konzept als einen rein säkularen Vorgang. Im Gegensatz zur früheren Kirchenzucht nutzt es nicht mehr geistliche oder soziale, sondern rechtliche Sanktionsmittel (Verrechtlichung).
  •  Gerhard Oestreich, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: Ders., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze. Berlin 1969, 179-197.
  •  Winfried Schulze, Gerhard Oestreichs Begriff „Sozialdisziplinierung“ in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 14, 1987, 265-302.
  •  Stefan Breuer, Sozialdisziplinierung, Probleme und Problemverlagerung eines Konzeptes bei Max Weber, Gerhard Oestreich und Michel Foucault, in: C. Sachße/ F. Tennstedt (Hrsg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung. Frankfurt a.M. 1986, 45-69.
  •  Michael Prinz, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung. Neuere Fragestellungen in der Sozialgeschichte der frühen Neuzeit, in: WF 42, 1992, 1-25.