1.2. Entdeckungs- und Eroberungsfahrten

1.2.1. Die Reisen des Columbus

Der Genuese Christoph Columbus besegelt den Atlantik nach Westen (orientiert an biblischen Zeugnissen, Reisebericht Marco Polos etc.), um den Seeweg nach „Indien“, d.h. Südostasien zu erschließen. Die spanischen Könige finanzieren das Unternehmen in der Aussicht auf Zugang zum Handel mit Gold und Gewürzen; sie geben Columbus Kredit und drei Schiffe; sie sichern ihm den erblichen Adel, die Stellung des Gouverneurs und Admirals sowie feste Gewinnanteile zu.

Im Oktober 1492 stößt Columbus auf die Insel Guanahani (Bahamas), dann Kuba und Haiti.

1493-1504 erfolgen drei weitere Reisen u.a. an die südamerikanische und die mittelamerikanische Festlandküste. Die Handelsmöglichkeiten erscheinen enttäuschend; wegen Misserfolgen bei der Kolonisation und dem Sklavenhandel entzieht die Krone Columbus sein Monopol.

1.2.2. Der Name „Amerika“

Während Columbus alle entdeckten Länder zunächst für Inseln und bis zuletzt für einen Teil „Indiens“ hält, beschreibt sie Amerigo Vespucci als Erster als „Neue Welt“ (1502 in einem Brief über die Entdeckung Brasiliens an Lorenzo de’Medici sowie 1503/04 in seinem Traktat „Mundus Novus“, das in Europa vielfach gedruckt wurde und weit verbreitet war). Der Name „America“, mit Bezug auf den Vornamen Vespuccis, taucht erstmals in der Cosmographiae introductio auf, die 1507 erschien und neben einem lateinischen Einführungstext die Berichte Vespuccis über seine Reisen in die „Neue Welt“ enthält. Der Textteil, in dem die Bezeichnung des entdeckten Landes als „America“ begründet wird, stammt von dem Humanisten Matthias Ringmann (1482-1511). Außerdem gehören zu dem Werk eine Weltkarte und ein Globus, auf denen – im Gegensatz zu den Karten in ptolemäischer Tradition – schon die „Neue Welt“ mit dem Namen America eingezeichnet ist. Diese stammen von dem deutschen Kartographen Martin Waldseemüller (Martinus Ilacomilus, ca. 1470 bis ca. 1522), der auch an der Konzeption der Cosmographiae introductio beteiligt war (Schmitt, Entdeckungen, 13-15).

Waldseemüller und Ringmann verwendeten den Begriff „America“ nur für den südlichen Teil des Doppelkontinents. Amerika als Bezeichnung für den Norden und Süden führte der niederländische Kartograph Mercator 1538 ein (Schmitt, Entdeckungen, 15).

1.2.3. Aufteilung der Sphären

Die Spanier stechen die portugiesischen Konkurrenten im Westen durch die Erwirkung einer päpstlichen Bulle (Inter ceterae, 1493) aus, die die Welt durch eine Linie im Atlantik in eine Westhälfte (Spanien) und eine Osthälfte (Portugal) aufteilt. Die Legitimation erfolgt durch einen Christianisierungsauftrag, mit dem der Papst die Mission den Kronen in die Hand gibt. Die Aufteilung wird 1494 im Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal modifiziert, ergänzt durch den Vertrag von Zaragoza 1529 (Teilung durch Linie im Pazifik). In der Folgezeit erobern die Spanier die „Neue Welt“, die Portugiesen etablieren ein Handelsimperium in Südostasien.

Ausnahmen: Portugiesen setzen sich auch an der brasilianischen Küste fest, Spanier auch auf den Philippinen.

Im spanischen Auftrag findet 1519 Fernando Maghellan den westlichen Seeweg an der argentinischen Küste vorbei nach Südostasien, der sich aber für den Handel nicht durchsetzt.

Frankreich, die Niederlande und England finden sich mit der Aufteilung nicht ab, suchen zunächst eigene Handelswege zu erschließen (vergeblich über Nordost- und Nordwestpassage), etablieren Kolonien in Nordamerika, treiben Schmuggel und Piraterie. 1609 entwickelt Hugo Grotius die völkerrechtliche Theorie des mare liberum.

Langfristige Entwicklung: Im 17. Jh. zerschlägt die niederländische Ostindienkompanie (VOC) das portugiesische Handelsimperium in Südostasien; im 18. Jh. übernimmt England die Rolle der führenden Handelsmacht.

1.2.4. Spanische Conquista

1498 hebt die spanische Krone Columbus‘ Monopol auf und gestattet auch andere Eroberungsfahrten nach Reconquista-Modell: Verträge (Capitulaciónes) mit „privaten“ Conquistadoren, meist Kleinadeligen und Söldnern, die Fahrten auf eigene Kosten machen und dafür weitreichende Vollmachten (Inhabe der höchsten Gewalt in den neuentdeckten Gebieten) sowie 20% Gewinnbeteiligung erhalten. Die einheimische Bevölkerung des Landes wird gezwungen, für die Eroberer die Gold- und Silbervorkommen auszubeuten. Der Prozess „speist sich selbst“ (Reinhard, Kolonialismus, 61): Conquistadoren sammeln durch Beute, Zwangsarbeit und Handelsgeschäfte Kapital an, das wieder zu neuer Expansion eingesetzt werden kann.

Die Conquistadoren besitzen eine technische Überlegenheit durch Metallverarbeitung, Feuerwaffen, Pferde und Bluthunde sowie eine Überlegenheit durch „Kontrolle der Kommunikation“. Als Folge werden im Laufe des 16. Jh.s alle altamerikanischen Hochkulturen zerschlagen (1521 Eroberung der Aztekenhauptstadt Tenochtitlán durch Cortés; 1533 Eroberung der Inka-Hauptstadt Cuzco durch Pizarro). Durch Ermordung, Zwangsarbeit, Geburtenrückgang und Infektionskrankheiten wird die einheimische Bevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts von ca. 80 auf 10 Mio. Menschen reduziert (allein in Mexiko: von ca. 25 Mio. auf 1 Mio.).

1.2.5. Portugiesische Entdeckungs- und Eroberungsfahrten

  • 1488: Bartolomeu Diás umrundet erstmals das Cap der Guten Hoffnung.
  • 1498: Vasco da Gama landet in Calicut (Indien): dies ist die erste erfolgreiche Handelsreise nach Ostindien auf dem Seeweg.
  • Seit 1500 schalten Portugiesen den arabischen Zwischenhandel mit Gewürzen zwischen Europa und Asien mit Gewalt aus;
  • Sie errichten seit 1505 Stützpunkte an der ostafrikanischen Küste und in Südostasien (1510 Eroberung von Goa/Indien; 1511 Eroberung des Handelszentrums Malakka, 1518 Ceylon). Nur punktuelle Vorstöße gelingen nach China und Japan (Niederlassung in Macao).
  • Portugiesen übernehmen seit Mitte des 16. Jh. den Zwischenhandel zwischen diesen beiden Reichen, werden aber seit 1600 wieder daraus vertrieben.