Quelle: Verbot der chinesischen Riten durch Papst Clemens XI., 1704

„Weil der höchste Gott (Deus optimus Maximus) bei den Chinesen mit europäischem Vokabular nicht angemessen zum Ausdruck gebracht werden kann, ist zur Bezeichnung dieses wahren Gottes das Wort Tien Chu, das heißt: Herr des Himmels, zuzulassen, das sich bekanntlich bei den chinesischen Missionaren und Gläubigen durch langen Gebrauch bewährt hat. Die Bezeichnungen Tien (Himmel) und Xang Ti (oberster Kaiser) aber sind völlig abzulehnen.

Deshalb ist es auch nicht zu gestatten, Tafeln mit der chinesischen Aufschrift King Tien (der Verehrung des Himmels geweiht) in christlichen Kirchen aufzuhängen oder bereits aufgehängte weiter zu behalten. Dazu ist es keinesfalls und aus keinem Grund den Christgläubigen zu gestatten, bei den Opferfeiern den Vorsitz zu führen, mitzuwirken oder teilzunehmen, die von den Chinesen alljährlich zu den Tag- und Nachtgleichen dem Konfuzius und den Ahnen dargebracht werden, weil sie von Aberglauben befleckt sind. Ebenso ist nicht zu gestatten, daß dieselben Christgläubigen in den Konfuziustempeln, die auf Chinesisch Miao heißen, die Zeremonien, Riten und Opfer vornehmen, die zu Ehren dieses Konfuzius dann in den einzelnen Monaten zu Neumond und Vollmond von den Mandarinen oder ersten Beamten und anderen Amtsinhabern sowie den Literaten abgehalten werden; bald von diesen Mandarinen oder Gouverneuren bzw. Richtern, bevor sie ihr Amt antreten, oder wenigstens nach seiner Inbesitznahme; bald von den Literaten, die nach Zulassung zu ihren Graden sich unverzüglich zum Tempel des Konfuzius begeben. [...]

Ferner ist den genannten Christen nicht zu gestatten, irgendwie Opfer, Riten oder Zeremonien vor Ahnentafeln in Privathäusern oder an den Ahnengräbern oder bevor Verstorbene dem Grab übergeben werden, wie sie zu deren Ehren üblich sind, gemeinsam mit Heiden oder getrennt vorzunehmen, daran mitzuwirken oder teilzunehmen; im Gegenteil, weil je nach Erwägung alles dessen, was von dort hier vorgebracht wurde, und sorgfältiger und reiflicher Diskussion nachgewiesen ist, daß alles Besagte nicht so vorgenommen werden kann, daß es vom Aberglauben zu trennen wäre, darf den Anhängern des christlichen Gesetzes nicht einmal gestattet werden, vorher einen öffentlichen oder geheimen Vorbehalt (protestatio) abzugeben, sie vollzögen dies nicht als religiösen, sondern bürgerlichen und sogar politischen Totenkult und erbäten oder erhofften sich nichts von den Toten.

Nicht freilich ist damit jene rein körperliche (materialis) Anwesenheit zu verwerfen, die Christen bei diesen abergläubischen Akten bisweilen leisten müssen, freilich ohne ausdrücklich oder stillschweigende Zustimmung oder gar Mitwirkung an den von Heiden vollzogenen abergläubischen Akten, weil anders Haß und Feindschaft nicht vermieden werden können. Freilich sollte vorher, wenn möglich, eine Glaubenserklärung abgegeben werden und die Gefahr des Abfalls ausgeschlossen sein. 

Endlich darf den Christgläubigen nicht gestattet werden, nach der Sitte jener Länder Ahnentafeln in ihren Privathäusern zu haben, mit der chinesischen Inschrift, die „Thron oder Sitz des Geistes oder der Seele N.“ bedeutet, auch nicht in der verkürzten Form „Sitz“ oder „Thron“. Wo aber die Tafeln nur den Namen des Verstorbenen tragen, kann ihr Gebrauch geduldet werden, wenn nur bei ihrer Herstellung alles vermieden wird, was nach Aberglauben riecht, und Ärgernis ausgeschlossen ist, d.h. wenn Nichtchristen nicht meinen können, die Tafeln würden von den Christen im selben Sinn aufbewahrt wie bei ihnen, und wenn den Tafeln eine Erklärung darüber beigegeben wird, was der Glaube der Christen von den Toten und was Pietät der Kinder und Enkel gegen die Ahnen [nach christlichem Verständnis] zu sein hat.

Durch das Vorstehende soll nichtsdestoweniger nicht verboten werden, andere Akte zu Ehren der Verstorbenen vorzunehmen, wenn es unter den bei den Heiden üblichen welche gibt, die weder abergläubisch sind noch den Anschein von Aberglauben erwecken, sondern in den Grenzen bürgerlicher politischer Riten bleiben. Was nun aber solche sind und mit welchen Kautelen sie geduldet werden können, ist dem Urteil des jeweiligen Apostolischen Kommissars und Generalvisitators in China oder seines Vertreters und der Bischöfe und Apostolischen Vikare jener Gegenden zu überlassen. Die sollen freilich unterdessen sich mit allem möglichen Eifer und aller Sorgfalt bemühen, daß die Zeremonien der Heiden ganz und gar aufgehoben und nach und nach von den Christen jene Riten zum Gebrauch rezipiert werden, die die katholische Kirche in ihrer Frömmigkeit für die Verstorbenen vorschreibt.“

  • nach: Breve Clemens’ XI., inseriert in die Bulle „Ex quo singulari“ Benedikts XIV. 1742. In: Magnum Bullarium Romanum. Bd. XVI. Luxemburg 1752, S. 107, zitiert nach: Eberhard Schmitt (Hrsg.), Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion, Bd. 3: Der Aufbau der Kolonialreiche, hrsg. von Matthias Meyn u.a. München 1986, 484-487.