2.4. Dauer und Wandel

2.4.1. Statische Ständeordnung

Die hierarchische Ständeordnung ist der Idee nach statisch. Veränderungen des individuellen Standes, d.h. Standeserhebung oder -minderung wie Nobilitierung, Promotion, Legitimierung Unehelicher etc., können nur von der höchsten Gewalt (Papst/Kaiser/König) vorgenommen werden bzw. leiten sich von dieser her und werden durch performative Rituale vollzogen. 

Sozialer Aufstieg ist auch in der ständischen Gesellschaft der FNZ möglich, aber im Verhältnis zu anderen Epochen deutlich erschwert, weil der Zugang zu knappen Gütern weitgehend ständisch monopolisiert ist. Mobilitätskanäle sind v.a. gelehrte Bildung, Ämter in Kirche, Militär und Verwaltung, unternehmerische Tätigkeit usw. 

Der Aufstieg in einen höheren Stand vollzieht sich meist über mehrere Generationen. Ein Beispiel für einen solchen Aufstieg: 

Erste Generation

Bäuerliche Besitzakkumulation durch günstige Erbschaft und Heirat   →

→ Zweite Generation

Investition in die Protoindustrie und kaufmännischer Erfolg   →

→ Dritte Generation

Studium, Amtskarriere   →

→ Vierte Generation

Fürstendienst und Nobilitierung   →

→ Fünfte Generation

Erwerb eines adeligen Landguts   →

→ Sechste Generation

Aufnahme in den adeligen Heiratskreis

2.4.2. Funktion ständischer Prinzipien in einer „Gesellschaft beschränkter Ressourcen“

Die verstärkte Abschließung von Adel, Stadt- und Dorfgemeinschaften seit dem 16. Jh. kann als Reaktion auf die zunehmende Knappheit in einer Wirtschaft verstanden werden, die ohne technologischen Wandel wächst. Das ständische Prinzip wirkt dem des Marktes entgegen, weil die Stände materielle Güter und Chancen monopolisieren und damit der freien Marktkonkurrenz entziehen, z.B. durch ständische Monopole auf Grundeigentum, Ämter und Stellen; Erwerbs- und Konsumverbote etc. Die Dynamisierung des Marktes bedroht die ständischen Grenzen und bereitet einer Konsumgesellschaft und bürgerlichen Rechtsgleichheit den Weg.