Quelle: Definition von Stand in Zedlers Universallexikon, 1744

„Stand, Zustand, Stand der Menschen oder Personen, Lat. Status, Ordo, Status hominum, Status personarum, und Ordo politicus, Franz. Etat oder Ordre, Ital. Stato, ist eigentlich nichts anders, als die Beschaffenheit eines Menschen, wodurch er von andern unterschieden wird, und also auch, in Ansehung dieses Unterschiedes nicht alle und jede durchgängig einerley Rechte, sondern einer vielmehr immer andere, als ein anderer, zu genüssen haben. Die Stände, in welchen sich die Menschen befinden sind unterschiedlich. Thomasius [...] theilet den Stand des Menschen in einen natürlichen und bestialischen,. Jener sey die Beschaffenheit, die allen Menschen gemein, so ferne sie auch nach dem Fall dieses vor den Bestien besonders hätten, daß sie vernünfftig nachdencken, den obersten Gesetz-Geber erkennen, und ihr äusserliches Thun und Lassen nach seinen Geboten einrichten könnten, und werden entgegen gesezet entweder dem Leben und Zustande der unvernünfftigen Thiere; oder dem Leben der Menschen, welche diesen Zustand misbrauchten, und dem Eingeben ihrer verderbten Vernunfft in allem folgten. Auf solche Weise ist der natürliche Stand so viel, als die menschliche Natur, dessen Betrachtung deswegen nöthig ist, damit man daraus die natürlichen Gesetze leite. Solchen theilet Thomasius wieder in eine natürlichen und gesellschaftlichen. Jener sey in diesem Gegensatze die Beschaffenheit der Menschen, so ferne sie vor sich allein in der Einsamkeit ohne anderer Hülffe sich befänden, dergleichen Stand nicht nur seyn könnte, wenn z.B. jemand bey einem Schiffbruche auf eine wüste Insel käme; sondern auch würcklich wäre, wie man an den Kindern, welche die Eltern hinlegen, sähe. Der gesellschaftliche Stand hingegen sey, wenn die Menschen in Gesellschafft leben und sich anderer Beystands bedienten. Dieser sey wieder entweder ein natürlicher oder ein bürgerlicher. In diesem Gegensatze sey der natürliche Stand die Beschaffenheit der Menschen, wenn sie zusammen in einer allgemeinen Gesellschafft lebten, und keiner Obrigkeitlichen Gewalt, oder Herrschafft unterworfen wären; der Bürgerliche aber, wenn sie sich in einer bürgerlichen Gesellschafft befänden. Endlich wäre der bürgerliche auch entweder ein natürlicher, so die Beschaffenheit sey, die ein Mensch von Natur ohne Zuthun eines andern Menschen habe, daß er z.B. eine Mannsperson, ein Kind sey; oder ein eingeführter, den ein Mensch aus menschlichen Verordnungen erlanget habe, wenn er z.B. ein Bürgermeister, ein Edelmann, ein Bauer sey. [...]

So viel hiernächst die Abtheilung derer Stände nach denen Rechten anbetrifft; so sind solche ebenfalls entweder natürlich oder angenommen. Der natürliche Stand ist bey denjenigen, so ausser der Republick leben, da einander alle gleich, und darinnen, nach Einführung der Republicken, sich niemand befindet, als Regenten, so keinen Obern in der Welt über sich haben. Man verstehet aber auch die natürlichen Umstände darunter, so den Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft unterscheiden, und betrachtet I) seine Geburt, indem er entweder bereits an das Licht der Welt gebohren ist, oder noch gebohren werden soll; von diesem wird dafür gehalten, er sey schon da, wenn es auf seinen Vortheil ankommt, [...]. Daher er in seiner absterbenden Freunde Güter zu immittiren oder einzuweisen, [...] bey Theilung einer Erbschafft ihm sein Theil auszusetzen, [...] er vom Vater zum Erben einzusetzen, [...] seine Mutter währender Schwangerschafft mit Marter und Straffe zu verschonen, [...]dem Vater aber nutzet er nichts [...]. II) Sein Geschlecht nach welchem er entweder Mannes- oder Weibes-Person. Zwitter werden zu dem prävalirenden Geschlechte gerechnet [...] und können das erwählte Geschlecht nicht wieder ändern [...]. III) Das Alter, als 1) die Kindheit, so von Zeit der Geburt bis ins 7 Jahr währet [...]. 2) Das unmannbare Alter, so ordentlich bis ins 12te bey Weibs- und ins 14 bey Manns-Personen [...] in Verbrechen bey beyden bis ins 14 [...], bey verschiedener Alimentation bey Weibs-Personen bis ins 14 bey Manns-Personen bis ins 18 Jahr gehet, [...] und bald der Kindheit, bald auch der Mannbarkeit beygezehlet wird [...]. 3) Die Unmündigkeit oder Minderjährigkeit, so bis ins 25 [...], nach Sächsischen Rechten bis ins 21 Jahr gehet [...]. 4) Die Mündigkeit Majorennität oder das männliche Alter, so nach Sächsischen Lehn-Recht nach 13 Jahr 6 Wochen anfangen soll, [...] wiewohl vor dem 18 oder 21 Jahre keiner zur Lehns-Pflicht gelassen wird. Mandat 1707 zur Chur wird einer im 18 Jahr mündig [...] und ausserordentlich wird einer durch die Jahre Gebung [...] mündig gesprochen [...]. 5) Das hohe Alter, so nach 55 [...], 60 [...] oder 70 Jahren angehet, [...] das höchste Alter aber ist 100 Jahr [...]. IV) Die Gesundheit, so daß von Gesunden dem Gemüthe nach 1) Rasende, Tolle, Unsinnige, Aber- und Wahnwitzige, oder Wahnwitzige, die zwar ihren Stand, Würde, und Eigenthum, [...] väterliche Gewalt und Ehre behalten, [...] sonst aber zu allem ungeschickt, und von Freunden, oder der Obrigkeit, zu verwahren [...] und zu bevormünden sind, [...] und gehöret zur Raserey gewisser massen der Jarhzorn [...]. 2) Albere, Blöde, so jenen gleich zu achten, [...] nicht aber bloß Einfältige [...]. 3) Verthuliche und Verschwender, denen die Verwaltung ihres Vermögens untersaget wird [...]. 4) Dem Leibe nach Stumme, Taube, Blinde, Lahme, [...] und immer Krancke von andern zu unterscheiden. 5) Verrichtungen und andere natürliche Beschaffenheit, da auch Wachende und Schlaffende, welche letztere kein Verbrechen begehen, [...] und daher auch nicht zu straffen, [...] Mondsüchtige, Nüchterne und Trunckene, Satte oder Hungernde und Dürstende unterschieden werden [...]. Der angenommene Stand ist entweder der politische, oder bürgerliche. Im erstem ist einer entweder 1) ein Mitglied der Republick, so nach Gelegenheit auch an der Regierung Theil hat, als i.G. Reichs-Land-Mit-Stand, oder ein Fremder; 2) Obrigkeit, oder Unterthan; 3) Adlich oder unedel; zu dem erstem gehöret der Fürsten-Grafen-Freyherrn-Herren-Adels-Stand; von den letzten aber werden einige daher, daß sie zwar nicht von Adel, jedoch tapferen und guten Herkommens sind, unterschieden; 4) Civil- oder Militär-Standes, 5) Bürger, oder Bauer, 6) Gelehrt, oder Ungelehrt, 7) Geistlichen, oder weltlichen Standes, die Eintheilung in den Lehr-Mehr- u. Wehr-Stand ist unnöthig; 8) Vornehmen und geringen Standes; 9) Ehelich, oder ehelos, u.s.w. Der bürgerliche Stand ist nach dem Römischen Rechte dreyerley, der Stand der Freyheit, darinnen sich Freygebohrne und Freygelassene befinden; der Stand der Bürgerschafft, wovon vormahls alle Fremde ausgeschlossen gewesen, und der Haus-Stand, da einer sein eigner Herr, und weder der Väterlichen noch der Herrschafftlichen Gewalt unterworffen ist, leidet auch eine dreyfache Abänderung, mit deren größten die Freyheit, [...] mit der mittelsten das Bürger-Recht [...] und mit der geringsten die eigene Herrschafft, und folglich auch das so genannte gemeine Recht zu heyrathen, zu contrahiren, und Testament zu machen, verlohren gehet [...]. Die freywülige Verpflichtung setzet den Verpflichteten gleichfalls in eine Art des bürgerl. Standes, wovon er sich durch Leistung des Schuldigen Endes wieder befreyet. Gewisse Personen aber werden, wenn sie verkürzet wurden, ohne würckliche Leistung, wieder in vorigen Stand gesetzet [...]. Im übrigen soll vornehmlich nach denen Chur-Sächsischen Rechten, ein jeder Stand bey seiner Handthierung und Nahrung gelassen werden [...]. Und der Edelmann von seinen Ritter-Golden und Ritter-Gütern sich unterhalten, [...] daß die Bürger bey ihrem Brauen, Mältzen, Schencken, und andern bürgerlichen Handthierungen bleiben, [...] die Bauern ihres Pflügens und Ackerwerks warten, [...] und die Geistlichen sich des Weins- und Bierschancks, der Kauffmannschafft ec. Verkauffs auf Wucher und dergleichen, enthalten [...]. Insonderheit soll man in Kleidung den Unterscheid der Stände nicht stöhren, [...] sondern die höhern Standes den Nietrigen mit guten Exempeln vorgeben [...].“

  • aus: Johann Heinrich Zedler, Großes vollständiges Universallexikon, Bd. 39. Leipzig/Halle 1744, Sp. 1093-1103.

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