4.1. Forschungskonzepte und -kontroversen
von Claudia Strieter
Verfallsthese: In der Diskussion über die Urbanisierung im Alten Reich wird von einigen Forschern von einem „Städtetal“ gesprochen. Dieses beschreibt die Tatsache, dass zwischen 1450 und 1800 keine markante Wachstumsphase, was Stadtneugründungen anbelangt, stattgefunden hat (Stoob, Forschungen, 34 u. ö.). Andere Forscher bemühen sich um ein differenzierteres Bild und sehen die FNZ als eine Phase der Urbanisierung an, „allerdings mit anderen Margen und Rhythmen als im übrigen Europa“, denn insbesondere bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg wuchsen die deutschen Städte ebenso wie die allgemeine Bevölkerungsentwicklung erst im Verlauf des 18. Jh.s, aber auch hier muss man regional differenzieren (Schilling, Die Stadt, 6, 14). Als Kardinalvorgänge der frühneuzeitlichen Urbanisierung hat bspw. Schilling, die „Differenzierung und Funktionalisierung des Städtewesens“, die „räumliche Neuordnung des Städtenetzes“ und die „Beziehungsgeschichte zwischen Stadt und Territorialstaat“ herausgearbeitet (Schilling, Die Stadt, passim. Vgl. zu neuerer Forschung außerdem den Überblicksartikel von Gräf, Urbanisierung, passim).
Holger Gräf: Urbanisierung vor 1800. Ein kurzes Plädoyer für die Relativierung der Epochenschwelle in der historischen Urbanisierungsforschung
Kommunalismus: Im Zentrum dieses Forschungskonzepts steht die Annahme, dass zwischen ca. 1300 und 1800 kommunale Institutionen, die sich durch eigenständiges Satzungsrecht auszeichneten, ein wichtiges soziales und politisches Strukturprinzip sowohl in den Städten als auch auf dem Land dargestellt haben. Zentraler Wert ist sowohl in den Dörfern als auch in den Städten der gemeine Nutzen gegen die Partikularinteressen einzelner. Konkretestes Element des Gemeinwohls ist die Hausnotdurft, d.h. das Ermöglichen einer auskömmlichen Lebenshaltung für die einzelnen Haushalte in der Gemeinde. Besonders in Städten stellen persönliche Freiheitsrechte und ungeschmälerter Individualbesitz zentrale Werte dar. Demgegenüber steht die Vorstellung der Teilhabe aller an den Lasten und Pflichten, aber auch am Regiment des Gemeinwesens, was in den Städten v.a. in Auseinandersetzungen zwischen Rat und Bürgern um Partizipation sichtbar wird (Blickle, Kommunalismus, Bd. 1, passim).
"Neue Forschungsfelder der Stadtgeschichtsforschung": Adelheid von Saldern: Stand und Perspektiven der Stadtgeschichts- und Urbanisierungsforschung