4.6. Städtische Konflikte und Unruhen

von Claudia Strieter

4.6.1. Zunftkämpfe

Zunftkämpfe und Zunftrevolutionen hatten vom ausgehenden 13. bis in das 15. Jh. die innerstädtischen Verfassungen stark verändert. Das Patriziat war mit Forderungen der organisatorisch und wirtschaftlich erstarkten Zünfte konfrontiert, die eine Beteiligung am Stadtregiment erstrebten (Blickle, Unruhen, 7f.). Dabei ging es insbesondere um eine stärkere Kontrolle der Finanzen durch die Gemeinde und um Eingrenzung der Macht des Rates, denn es kam – so kann man allgemein sagen – „immer dann zu Protesten einzelner Gruppen oder der gesamten Bürgergemeinde gegen die Stadtführung, wenn eine vermeintliche Mißwirtschaft zu einer spürbaren finanziellen Mehrbelastung einzelner Bürger führte oder sich genossenschaftliche Verbände etwa im Rahmen der Markt- und Gewerbeordnung in ihrer Autonomie verletzt fühlten.“ (Ehbrecht, Hanse, 87). Die Zunftunruhen hatten weitreichende Folgen für die Stadtverfassungen: „zwar konnten sie gelegentlich niedergeschlagen werden (Nürnberg, Frankfurt a.M.), oft blieben die Zünfte auch wenig mehr als ein Annex des patrizischen Rates (z.B. Regensburg, Rothenburg o.d.T., Schwäbisch Hall, Mülhausen im Elsaß) doch nicht selten kam es zu einer Parität von Patriziern und Zünften (z.B. Konstanz, Heilbronn, Hagenau) oder zu einer eindeutigen Dominanz der Zünfte (z.B. Straßburg, Augsburg, Ulm, Schlettstadt, Colmar, Zürich).“ (Blickle, Unruhen, 55; grundl.: Isenmann, deutsche Stadt, 190-198).

4.6.2. Reformation

Zu Beginn des 16. Jh.s insbesondere in den 1520er Jahren lässt sich in den Städten eine erhebliche Zunahme von innerstädtischen Konflikten feststellen, die durch die Reformation und deren Prediger ausgelöst worden waren. 

4.6.3. Bürgerkämpfe

Die in der FNZ dominante Form des ländlichen Protests findet ihr Pendant in den städtischen „Bürgerkämpfen“ und „Stadtrevolten“, die vor und nach dem Dreißigjährigen Krieg besonders häufig ausbrachen. Im Anschluss an die spätmittelalterlichen Zunftrevolutionen war es zu erneuten Abschließungstendenzen des städtischen Rates gekommen, was nicht selten zu Konflikten zwischen Rat und Bürgerschaft führte. Insgesamt waren die traditionellen städtischen Eliten im 16. und 17. Jh. von einer Legitimitätskrise betroffen. „In wirtschaftlich potenten Eliten, die sich neuerer wirtschaftlicher Methoden (etwa der Verlagsproduktion) bedienten, erwuchs jenen traditionellen Führungskräften eine Konkurrenz, die sie an sozialem Prestige teilweise überflügelte“ und Ansprüche auf eine Teilhabe an der politischen Macht anmeldete (besonders prominent der Frankfurter Fettmilch-Aufstand von 1612 bis 1616) (Gerteis, Städte, 83, 173f.). 

Die Forschung sieht in dem zunehmenden obrigkeitlichen Anspruch des städtischen Rates und den wirtschaftlichen Wechsellagen der Zeit die Hauptmotive des innerstädtischen Protests. Denn Unruhen gab es hauptsächlich in Städten mit einem in starkem Maße obrigkeitlich agierenden Rat oder in Städten, die durch hohe Spezialisierung von Handel und Handwerk von wirtschaftlichen Krisen besonders betroffen waren (Blickle, Unruhen, 45).

Im Verlauf dieser Konflikte gelang es der Bürgerschaft vielfach, eigene Repräsentations- und Kontrollorgane neben dem bzw. über den Rat zu etablieren (Gerteis, Städte, 67). Wie Heinz Mohnhaupt für Göttingen nachweisen konnte, hatte das von den Zünften errungene Kontroll- und Beschwerderecht auch den Effekt, die Kontrolle auf den Rat und die Stadt „von oben“ zu verschärfen, denn die Beanstandungen und Beschwerden mussten dem Landesherren zugestellt werden (Mohnhaupt, Göttinger Ratsverfassung, 81f.).