5.1. Definition und Allgemeines
Der Adel (im Reich ca. 1-1,5 % der Bevölkerung) ist der rechtlich abgesicherte Geburts- und Herrschaftsstand an der Spitze der sozialen Hierarchie, der die Verfügung über die wichtigsten materiellen und immateriellen Güter monopolisiert und „erbfest eingefroren“ hat.
5.1.1. Subsistenz
Grundlage seiner sozialen Stellung sind primär die Verfügung über Grund und Boden (als Eigentum oder Lehen) und die Herrschaft über die diesen bearbeitenden Leute, sekundär der privilegierte Zugang zu wirtschaftlich nutzbaren Ämtern und kirchlichen Pfründen (Reichskirche als Adelskirche). Die Herrenrechte ermöglichen ein arbeitsloses Renteneinkommen durch die Abschöpfung des Ertrags der bäuerlichen Familienbetriebe (Rentengrundherrschaft) oder die Bewirtschaftung der Güter als adlige Großunternehmen in eigener Regie und unmittelbare Nutzung der bäuerlichen Arbeitskraft (Gutswirtschaft).
5.1.2. Herrschaftsteilhabe
Neben eigenen Herrschaftsrechten über die unmittelbaren Untertanen verfügt der Adel traditionell über eine Teilhabe an der zentralen Herrschaft „mit Rat und Tat“ (Kriegführung, Rechtsprechung, Verwaltung etc.) und über eine privilegierte Stellung gegenüber der Zentralgewalt (privilegierter Gerichtsstand; Steuerexemtionen etc.).
5.1.3. Traditionaler Charakter des Adels als Geburtsstand par excellence
Status, Besitz und Privilegien werden generationenübergreifend für die „Erhaltung von Stamm, Rang und Namen“ weitergegeben; daraus speist sich zugleich die Legitimation (sozialer Prestigefaktor Zeit; „Tugenden“ der Ahnen werden „vererbt“). Die Exklusivität des Zugangs zu den Ressourcen wird durch Heiratskreise gesichert: Voraussetzung für die Erbfolge, den Zugang zu Pfründen etc. ist die ebenbürtige eheliche Abstammung. Der Abstammungsverband in männlicher Linie wird durch Memorialkultur gepflegt. Hierzu zählen u.a. Stammsitz, Familiengrablegen, Totengedenken, Epitaphien, Wappentafeln, Ahnenportraits, Familienchroniken.
- Epitaph der Familie Jürgen von Klenckes (1551-1609), 1610
- Grabmal des Herzogs Ulrich von Mecklenburg mit seinen Frauen
- Vorfahrentafel des Philipp von Kerssenbrock und der Catharina von Adelebsen, um 1625
- Adelsportrait des Fürst von Waldburg-Zeil-Trauchburg, 1593
- Adelsportraits der Familie von Münchhausen, 1593
5.1.4. Adelige Lebensführung
Der Adel verfügt über eine Tradition als christlicher Kriegerstand. Hierzu zählt ein ritterlicher Lebensstil, der sich durch Reiten, Waffentragen, die Teilnahme an Jagd und Turnier etc. zeigt. Weiter zeichnet sich der Adel durch Muße aus, d.h. die Enthaltung von sozial erniedrigender Handarbeit, Handel und Gewerbe. Es besteht eine soziale Verpflichtung zu standesgemäßem Luxuskonsum, der an dem Aufwand an Kleidung, Pferden, Kutschen, Bediensteten, der zeitgemäßen künstlerischen Ausstattung von Burg, Schloss oder Stadtpalais, der Freigiebigkeit etc. sichtbar wird. Der (einem historischen Wandel unterworfene) körperliche Habitus wird als inkorporierte, quasi-natürliche Form der Abgrenzung vom „gemeinen Mann“ gepflegt. Konkurrierende Orte der adeligen Lebensführung sind der Landsitz und der Fürstenhof.
- Christlicher Krieger, Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel, 1513-14
- Christlicher Krieger, Der Miles christianus aus Officia Ciceronis Teutsch 1565.
- Habitus von Bauern und Adel