6.1. Was heißt Bürgertum?

In der klassischen mittelalterlichen Drei-Stände-Lehre (Klerus, Adel, Bauern) kommt das Bürgertum nicht vor. Vor allem negativ lässt es sich fassen: Bürger sind nicht Adel und nicht Bauern. Was es positiv ist, lässt sich kaum einheitlich definieren. Idealtypisch kann man unterscheiden zwischen „altem“ und „neuem“ Bürgertum.

Altes, d.h. Stadtbürgertum bedeutet: Mitglieder einer Stadt als Rechtsgenossenschaft mit bestimmten korporativen Rechten und Freiheiten, d.h. die Inhaber von Bürgerrecht und deren Familien. Das Stadtbürgertum ist sozial grob geschichtet in Patrizier, Kaufleute/Unternehmer und Zunfthandwerker. Einen rechtlichen Sonderstatus haben in der Regel Kleriker und Angehörige gelehrter Berufe: Professoren, Freiberufler (Ärzte, Advokaten etc.), Amtsträger und ihre Familien.

Aus dieser Gruppe entwickelt sich das „Neue“ Bürgertum: eine ständeüberschreitende Funktionselite jenseits ständisch-korporativer Zugehörigkeit, zusammengesetzt aus der wachsenden Zahl derer, die in den Justiz- und Verwaltungsämtern von Kirche, Stadt, Reich und vor allem den Territorien tätig sind. Den Kern dieser Gruppe bildet die Beamtenschaft der Fürstenstaaten, die am schnellsten expandiert.