6.3. Verschiedene akademische Berufsgruppen

Kern des traditionellen Gelehrtenstandes, aus der sich die neue Funktionselite rekrutiert, ist die Universität mit ihren vier Fakultäten.

6.3.1. Gelehrte

Schon das Grundstudium der Artes liberales (v.a. Politik, Rhetorik, Historie) qualifiziert für die neuen Funktionsstellen. Selbst Ungraduierte ohne Abschluss gelten als Gelehrte; zugleich steigt der Bedarf auch an schriftkundigem Hilfspersonal. Im 18. Jh. übersteigt allerdings das Angebot die Nachfrage; die wachsende Akademiker-Arbeitslosigkeit vor allem aus der Artisten- und Theologenfakultät führt zu einem Ausweichen auf Tätigkeiten als Schreiber, Hofmeister, freie Schriftsteller, Journalisten etc.

6.3.2. Juristen

Juristen bilden den Kern der neuen Funktionseliten (Hintergrund: Verwissenschaftlichung des Rechts seit dem Spätmittelalter, Laien verlieren Justizkompetenz). Es erfolgt eine ständische Verfestigung der juristischen Eliten, die zur Entstehung von Beamten- und Professorendynastien mit Konnubium und hoher Selbstrekrutierung führt.  

6.3.3. Mediziner

Gelehrte Ärzte unterscheiden sich von vielen anderen, z.T. als Handwerke zünftisch organisierten Heilberufen (Chirurgen, Wundärzte, Hebammen, daneben unterständische Gruppen wie Zahnreißer, „Quacksalber“ etc.). Unterschiede bestehen in der Ausbildung (Universitätsstudium), in der Art ihres Wissens (theoretische Buchgelehrsamkeit, v.a. innere Medizin), in den Heilmethoden (Rezepturen, Diätetik etc., weniger manuelle Eingriffe in den Körper) und im Patientenkreis (Hof, Adel, Stadtpatriziat).

Entwicklungstendenzen im 18. Jh.:

  • Annäherung von gelehrter und handwerklicher Medizin in Folge der naturwissenschaftlichen Revolution
  • Einrichtung eines staatlichen Medizinalwesens zur flächendeckenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung
  • Einbeziehung auch der Wundärzte und Hebammen in diese Medizinalpolitik

6.3.4. Theologen

Die ursprünglich ranghöchste Fakultät verliert im Laufe der FNZ an Sozialprestige. Der katholische Klerus und protestantische Pfarrer unterscheiden sich sehr weitgehend als soziale Formationen.

Der katholische Klerus ist sozial sehr heterogen:

  • adeliger Hoch- versus kleinbürgerlich-bäuerlicher Niederklerus
  • theologische Ausbildung an der Universität selten, in Priesterseminaren seit dem Trienter Konzil zunehmend üblich

Ständisch hebt sich der katholische Klerus von den Laien durch Weihe, zölibatäre Lebensform, rechtlichen Sonderstatus, Kleidung etc. ab.

Hingegen werden protestantische Pfarrer tendenziell „verbürgerlicht“. Geistliche Ämter ohne materielle Pfründen sind für den Adel unattraktiv. Da protestantische Landesherren die Kirche ihrer obrigkeitlichen Gewalt unterworfen haben, werden Pfarrer Staatsbeamte, die der Professionalisierungstendenz unterliegen:

  • Universitätsstudium
  • Ordination durch landesherrliche Behörde aufgrund von Prüfung
  • Abschaffung des Zölibats: Pfarrhaus wird Inbegriff bildungsbürgerlicher Familie
  • hoher Grad der familiären Selbstrekrutierung
  • Heiratskreise