Quelle: Joachim Heinrich Campe, Väterlicher Rath für meine Tochter

„Der natürliche Wirkungskreis des Weibes ist das Hauswesen. Dieses besteht, auch bei der kleinsten Haushaltung, aus einer grossen Vielheit und Mannigfaltigkeit von Dingen und Geschäften. Jene zu ordnen, zu brauchen, zu verwahren und zu erhalten, diese einzutheilen, sie auf die rechte Art zur rechten Zeit zu verrichten und unter ihrer unmittelbaren Aufsicht verrichten zu lassen, ist die erste unumgängliche Pflicht der Hausmutter. Der Mann, mit anderweitigen Geschäften und Sorgen belastet, kann nur im Vorbeygehn und in den Stunden der Erholung darauf achten: und wohl ihm wenn sein trefliches Weib dann jedesmal dafür gesorgt hat, daß er alles so findet, wie er es zu erwarten berechtigt war: wohl ihm und ihr, wenn jeder Blick, den er alsdann auf das Innerste seines Hauswesens wirft, ihm zu Erholung, ihr zum Lobe gereicht, ich will sagen, wenn er überall Reinlichkeit und überall eine schöne musterhafte Ordnung in den Sachen und in den Geschäften des Hauses bemerkt! Dann steht alles wohl: dann verbreitet sich die Zufriedenheit des Hauptes über alle Glieder der Familie; jedes Geschäft geht gut von Statten, das Wohl des Hauses blüht, die ganze Familie fühlt sich glücklich. [...]

Das Schlimmste dabei ist, daß die Unordnung im Aeusserlichen nach und nach, zwar unmerklich, aber nichts desto weniger gewiß auch in das Innere der Menschen, in ihre Empfindungen, in ihre Denkungsart, in ihre moralischen Handlungen übergeht. Wessen Auge durch den Anblick einer chaotischen Verwirrung und schändlichen Unsauberkeit in seinem Zimmer nicht mehr beleidigt wird, dessen Herz und Geist werden sich auch nicht lange mehr gegen die sittlichen Unordnungen in seiner Familie empören. Ein Weib, welches ekelhaften Schmutz auf ihren Kleidern und Regellosigkeit in dem Innern ihres Hauswesens dulden kann, wird gar bald auch den noch edleren Sinn für Reinigkeit des Herzenz und der Sitten verlieren. [...]“

  • aus: Joachim Heinrich Campe: Väterlicher Rath für meine Tochter. Ein Gegenstück zum Theophron. Der erwachsenen weiblichen Jugend gewidmet. Tübingen 1789, 204-224, zitiert nach: Paul Münch (Hrsg.), Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit. Texte und Dokumente zur Entstehung der „bürgerlichen Tugenden“. München 1984, 261f.