Quelle: Münsterische Judenordnung, 1662
Münsterische Judenordnung des Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen vom 29. April 1662
„Von gottes gnaden wir Christoff Bernhardt, bischof zu Munster, deß heiligen romisch[en] reichs furst, burggraf zu Stromberg und herr zu Borchelo (et cetera) tuen hiemit kundt und menniglichen zu wissen, waßmassen und vielfaltige clagten vorkommen und in der tat auch nunmehr befunden, daß viele frembde unbegleidte Juden in unserem stift nicht allein ihres gefallens hineinkommen und durchgehen, sondern auch ohne unseren gesuchten urlaub und gleidt in unseren stadten, wigbolten, flecken und dorferern herumblauffen und untern schein ihres notigen durchzugs zum eingrieff- und verschmelerung unser hohen regalien und nachteil unserer undertanen, da sie nicht wissen, allwo und an wehme sich des oft unterlauffenden betrugs halben zu erholen haben, verdachtigen handel und handtierung treiben.
Weilen wir nun eine hohe notturft erachtet, mit ernstlichen aus- und einsehen denselben zu bejegnen und darwieder anderen zum abschew und exempel mit confiscation ihrer guter gefencklicher anhaltung, auch anderer bestraffung nach befinden verfahren zu lassen, alß wollen wir alle frembde ohnvergleidet einschleichende Juen vor ihren schaden und ungelegenheit mit diesen unseren offenen edict und patent ernstlich gewahnet und unseren undertanen, sie sein was standes sie wollen, bey tausend goltgulden straff und sonsten nach ermeßigung anbefohlen haben, keinen Juden mit vermeintlichen gleidt unerschleiff zu verstatten noch auch einem, unter was schein und praetext es auch sein mag, an leib oder guet zu beleidigen, sondern wan einer auff den weg nach untenbenenten granßstadten oder orteren betretten werde dorthin ungehindert gehen, sonsten diejenige, welche erstgemelte orter unvergleitet vorbey zu streichen suchen, an unsere begste bediente gegen gebhrende belohnunh fuhren zu lassen. Allermassen dan auch den Juden selbsten bey funftzig goltgulden straff verbotten wirt, sich solchen vermeintlichen schutz und gleidts zum unterschleiff, abbruch und elusion unserer regalien nicht zu bedienen noch solche begleidung zu verschweigen, sonderen unseren commissariis zu gebuhrender remediierung vorzutragen.
Wir wollen gleichwohl denneselben, welche durch diesen unseren stift ihrer gescheften halber zu gehen oder bey unseren vergleideten Juden zu tun haben werden oder sich sonsten darein auff einige zeit zu treibung ihrer handtierung aufhalten wollen, wan sich nur friedt- und unargerlich bezaigen, nicht behinderlich sein, sondern nach gelegenheit ihrer vorhabender reiße und durchzugs oder aufhaltens in unserem stift auf sichere maaße und zeit in unseren granßestadten oder orteren [...] bey unseren jedes orts gerichtschreiberen und zu jetztbesagten Sassenberg bey unseren rentmeistern daselbst unseren paß und gleidtsbrieff in gnaden wiederfahren lassen.
[...]
So viele nun aber auch weiters diejenige Juden, welche zur wohnung und gebuhrlicher handesarbeit nach dem gebracuh anderer benachbarter landen unserer fernerer disposition und der reichsabscheiden gemeissener handtierung in unserem stift von uns vergleidet worden sein und ferner vergleidet werden mogteh, balnget, dieselbe sollen sich bey unseren undertanen, welche dieses alles zur guter nachrichtung angezeiget wirt, friedlich, still und unargerlich ohne gotteslasterung und schmahung oder veracht der catholischen religion und glaubens verhalten, keinen Christen zu ihrer judenschaft mit worteren oder werkeren verleiten, ihre wohnungen an den orteren, wo unsere undertanen ihre processiones und andacht gemeintlich verrichten, alß bey kirchen und kirchhoven nicht haben, auff den heiligen sonn- und anderen heiligen tagen sich zuhauß und vor abgang der vesper auff den gassen nicht finden lassen und auf den heiligen Ostertag und negst vohergehenden dreyen tagen in der heiligen Carwochen wie auch anderen hohen jahrlichen feyrtagen ihre laden, finster und haußer versperret halten, sonsten auch mit keinen Christen zugleich in einem hauße wohnen noch darvon saugammen oder gesinde bey sich haben, wie dan auch keinen soldaten auff ihr gewehr, wapfen, harnisch noch sonsten den bawrsleuten auff pfluge und andere ackergereidtschaft, viel weniger diesen oder jenen auff kirchengueter und zierat oder andere argwohnige gestohlene gueter und also keinen dienstbotten auf verdachtige sachenm sie wissen dan vorhin, daß selbige den zubringeren zustendig oder ihnen zu verpfanden von deren rechten herren anvertrawet sein, wie ebenmeßig den minderjahrigen ohne der elteren oder vormunderen wussen eß were dan, daß sie selbst handels- oder kaufleute weren, keine gelder verliehen, sonsten auch ihre actiones wieder die Christen keinen anderen Christen bey verlust derselben zu cediren und zu uberlassen und daruber einigen contract fertigen zu lassen, eß were dan, daß die action gerichtlich insolutum ubergewiesen wurde. Worbey dan auch gnedigst anbefohlen wirt, daß kein verarbeitet oder nicht verarbeitet ihnvermuntztes goldt oder silber ihne urlaub und gebuhrlicher anerbietung bey unseren muntzmeisteren ausser landes bringen, wie auch ebenfalß bey versetzung der pfanden [...] kein geding mit den Christen, alß da die gesetzte pfande nicht in rechter zeit geloeßet wurden, daß dieselbe ihnen verfallen sein, machen sollen, sondern wan innerhalb gebuhrender zeit nicht geloeßet werden, durch erkandnuß deß ortsrichtern gewohnlicher weis auff entrichtet, den schuldigern gefolget und außgegeben werden solle.
[...]
Und weiln uns auch obrigkeitlich aufligt, gebuhrendes einsehen und verordnung zu tun, damit unsere und andere undertanen in diesem unserem stift untraglich nicht beschwert wertden und dahero jedermenniglichen zu wissen notig, was den Juden in jedem jahr oder monat bey außlehnung der gelder nach proportion derselben abzustatten und dan auch, da die Juden mit aufnemmung und bewahrung der pfanden und herliehung geringer geldtsorten viel zu thuen haben und in hohen noten den unvermogenden leuten, welche anderwertz fast nicht geholfen werden konnen, hulf leisten und ohne unser belieben keine unbewegliche guetere aigentumblich haben und behalten mogen, alß konnen wir zusehen und gedulden, daß wan die sumb zwantzig reichstaler und darunter ist, nciht uber zehen zum hundert und ferners biß funftzig nicht uber acht und das uber funftzig sich erstrecket, nicht mehr als landtsitzlich interesse empfangen und sich zahlen lassen mogen. Wir wollen aber und befehlen gnedigst, daß keine betrieglichkeit hierunter bezaigen und die sumben uber zwantzig und funftzig in verscheidene geringere nicht verteilen nach veschreiben und dadurch also ein mehrers alß alhie verstattet wirt zu geniessen und dardurch sich unzuleißig zu bereichern nicht suchen sollen.
[...]
Was sonsten andere alhie nciht befindtliche stucke und puncten belanget, selbige sollen nach des h. romischen reichs abscheiden und gemeinen rechten und wie es sonsten in anderen benachbarten landen hergebracht und gewohnlich ist, gehalten, auch solche in zeit der vergleitung weiters deutlicher, damit sich der unwissenheit nicht zu beklagen haben mogten, von unseren commissarien vorgehalten und ien exemplar von diesem unseren getruckten edict und verordnung mitgeteilet werden. Hingegen wir dan auch sotanige unsere vergleidete Juden in kraft unser hohen regalien in landtfurstlichen gnedigsten schirm und protection nemmen und zum fall ichtwas strafbahres von ihnen begangen wurde, dieselbe allein in unsere straff stehen und gefallen und dero excessen und clagten cognititon uns vorbehalten sein und pleiben, auch nirgents anders alß vor unseren commissarien zu recht gefordert oder besprachet und wan auch zu einigen auflagen oder lasten anzuhalten, die erklerung und disposition daruber bey uns gleicher gestalt allein stehen und deß tuens oder lassens halber gnedigst verordnet werden solle. [...]“
- zitiert nach: Diethard Aschoff, Das münsterländische Judentum bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Studien zur Geschichte der Juden in Westfalen, in: Theokratia. Jahrbuch des Institutum Judaicum Delitzschianum III, 1973-1975. Festgabe für Harald Koch zum 70. Geburtstag. Leiden 1979, S. 125-184, Quelle Nr. 11, S. 181-184.