2.2. Militärische Revolution? Rolle des Krieges

2.2.1. Die These von Michael Roberts

Nach Michael Roberts bildet der Dreißigjährige Krieg das Zentrum einer „militärischen Revolution“ (ca.1590-1660) mit weitreichenden Folgen für die Entwicklung des modernen Staates. Roberts postuliert etwa folgende Kausalkette: Die Niederlande („Oranische Heeresreform“ nach antiken Vorbildern) und Schweden entwickeln als erste eine neue, so genannte Lineartaktik (statt Taktik der Pikeniere in Gevierthaufen), was erstmals den effizienten Einsatz von Handfeuerwaffen ermöglicht und höhere Anforderungen an die Disziplinierung der Truppen stellt.

Die Folgen sind:

  • neue Form militärischen Drills
  • Professionalisierung der Offiziere
  • Schlachten werden kriegsentscheidend, der Krieg entfaltet eine vernichtendere Wirkung
  • massives Anwachsen der Heere

Dies führt zu höheren Anforderungen an die Logistik (Unterhalt, Kontrolle etc.) und Organisation, die die Zentralgewalt besser erfüllen kann. Es erfolgt eine Ablösung der von Fall zu Fall angeworbenen und finanzierten (v.a. Söldner-) Truppen durch ein stehendes (billigeres) Heer; ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum staatlichen Gewaltmonopol ist die Ablösung des privaten Kriegsunternehmers durch den Staat. 

Politisch-soziale Folgen sind der Ausbau der staatlichen Administration, v.a. Ausbau des staatlichen Finanzsystems, Verstetigung des Steuerwesens, staatliche Wirtschaftslenkung, Stimulierung der Wissenschaften und mechanischen Künste u.a. mehr. Kurz: neue, größere, permanent unterhaltene Truppen sind Motor des staatlichen Wachstums.

2.2.2. Gegenargumente

Nach Geoffrey Parker u.a. fand keine „Revolution“ statt, sondern eine langfristige Entwicklung, die ins 15. Jh. zurückreicht. 

  • Die neue Festungsbau-Technik der italienischen Renaissance bestimmt eine defensive Belagerungstaktik.
  • Offene Feldschlachten bleiben Ausnahmen.
  • Die Heeresstärken wachsen schon im 16. Jh. an, bedingt durch die Ablösung der gepanzerten Ritter durch billige Fußsoldaten.
  • Die Konsequenzen der Innovation in der Taktik würden weit überschätzt; Priorität haben politisch-soziale Faktoren. 

Nicht strittig aber ist der langfristige Rückkopplungseffekt zwischen steigendem Geld- und Organisationsbedarf im Krieg → Staatsausbau → wachsenden Heeren → wiederum Stärkung der Staatsgewalt.