2.3. Rationalisierung der Herrschaft (Max Weber)

Die wohl einflussreichste Theorie zur Erklärung der modernen Staatlichkeit (als Bestandteil des modernen „okzidentalen Rationalismus“) ist die des Soziologen Max Weber (1864-1920).

2.3.1. Grundlagen

Weber geht von dem wechselseitig aufeinander bezogenen sinnhaften, grundsätzlich rationalen Handeln der Einzelnen aus und beschreibt, wie daraus komplexere Formen gesellschaftlicher Ordnung entstehen. Herrschaft ist definiert als „Chance, bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden“. Dazu bedarf sie der Legitimitätsgeltung. 

Weber unterscheidet drei Typen legitimer Herrschaft:

  1. rationale Herrschaft beruht auf „Glauben an die Legalität gesatzter Ordnungen“
  2. traditionale Herrschaft beruht auf dem „Glauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen“
  3. charismatische Herrschaft beruht auf „außeralltäglicher Hingabe an die Heiligkeit, Heldenkraft oder Vorbildlichkeit einer Person“

2.3.2. Okzidentaler Rationalismus

Im Laufe der FNZ setzt sich in Mitteleuropa die „rationalste“, d.h. den jeweiligen Zweck am vollkommensten erfüllende Form der Ordnung durch. Rationale Ordnung kennzeichnet sowohl den ökonomischen Großbetrieb der kapitalistischen Privatwirtschaft als auch die bürokratische Staatsverwaltung. Bürokratie ist die Keimzelle des modernen okzidentalen Anstaltsstaats. 

Kennzeichen rational-bürokratischer Herrschaft: 

  • Ordnung als Kosmos abstrakter, absichtsvoll gesatzter Regeln
  • Versachlichung der Herrschaftsbeziehungen
  • Trennung der Personen von den sachlichen Betriebsmitteln, d.h. von Amts- und Privatvermögen
  • kontinuierlicher, regelgebundener, aktenmäßiger Betrieb von Amtsgeschäften nach festen Kompetenzen und klarer Amtshierarchie, keine Appropriation der Amtsstellen durch die Inhaber

2.3.3. Kritik

  • Zu starke Fixierung auf das einfache Befehl-Gehorsam-Modell
  • Reduktion der Handlungsmotive auf Zweckrationalität
  • Staatsbildung kann nicht einfach als Prozess der Herrschaftsdurchsetzung von oben nach unten erklärt werden, sondern muss als Wechselverhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten beschrieben werden