3.2.1. Einheit Frankreichs als Erbmonarchie

Die Einheit Frankreichs ist durch die Erbmonarchie gegeben (Lex Salica: Thronfolge des männlichen Erstgeborenen, „Der König stirbt nie“). Die Erbmonarchie ist traditional-religiös-erbcharismatisch legitimiert und mit quasi-sakraler Weihe ausgestattet (magische Heilskraft, Ritual der Skrofeln-Heilung bei der Königsweihe). Das Königreich ist dennoch kein homogenes Ganze, vielmehr ein Konglomerat verschiedener Herrschaftseinheiten, die aber seit dem Mittelalter nicht mehr als Lehen ausgegeben wurden. Daher erfolgt anders als im Röm.-dt. Reich eine Stärkung der Krongewalt; durch Eroberung, Erbfolge etc. expandiert das Königreich zunehmend, insbesondere unter Ludwig XIV. wird das Reichsgebiet um ca. 1/6 vergrößert. Es bestehen während der gesamten FNZ große strukturelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Provinzen:

Frankreich ist 

  • kein einheitliches Rechtsgebiet (Norden: Gewohnheitsrecht, Süden: geschriebenes, römisches Recht),

  • kein einheitliches Zollgebiet,

  • besitzt kein einheitliches Steuersystem,

  • kein einheitliches politisches System (s.u.). 

Die Krone kommt ohne Beteiligung der alten und neuen Zwischengewalten nicht aus; sie übt nur eine Art Oberaufsicht über diese aus. 

Der König ist Inhaber der höchsten Gewalt (majestas), d.h. Inbegriff aller Herrschaftsrechte (Kriegführung, Gesetzgebung, Steuererhebung, Münzwesen, Standesveränderung etc.). Unter Ludwig XIV. wurde sie mit Sonnenmetaphorik, Rückgriff auf antike Heroen etc. als absolute Gewalt aufwendig inszeniert. Die Bindung an das „göttliche Recht“, die lois fondamentales des Königreiches (Thronfolgegesetz, Katholizität des Königs, Verbot der Domänenveräußerung), prinzipiell auch an die Rechte und Privilegien der Provinzen und Korporationen bleibt aber bestehen. Nach hergebrachtem Rechtsverständnis steht der König über den positiven Gesetzen, nicht aber über dem Recht; wenn er in dieses eingreift, ist er prinzipiell auf Konsens der Betroffenen angewiesen. Eine Ausnahme ist die Berufung auf den Staatsnotstand, necessitas publica u.ä. 

3.2.2. Traditionelle autonome Zwischengewalten (pouvoirs intermédiaires)

  1. Hochadel der Ducs et Pairs; potenzielle Herrschaftskonkurrenten, geborene Räte des Königs, militärische Oberbefehlshaber, Gouverneure der Provinzen. Im Laufe der FNZ zunehmend aus Regierungsgremien verdrängt und von professionellen Amtsträgern ersetzt (leitende Minister Kleriker!), stattdessen mit hochdotierten Ehrenämtern bei Hof entschädigt; Hof als kulturelles und ökonomisches Zentrum übt unter Ludwig XIV. höchste Anziehungskraft aus.
  2. Ständeversammlungen sowohl im Königreich insgesamt (États généraux aus Klerus, Adel, 3. Stand) als auch in einzelnen Provinzen (États provinciaux in den pays d’états, aus Adelsgutsbesitzern, geistlichen Korporationen, Kommunen).
  3. Unabhängige Gerichtshöfe (13 parlements und 3 cours souveraines), ursprünglich Organe der königlichen Rechtsprechung, inzwischen aber unabhängig, Spitzen eines gewachsenen, uneinheitlichen Geflechts von Gerichtsinstanzen (prévotés, mairies, bailliages, sénéchaussées), höchste Instanz Pariser Parlament. Nicht nur Rechtsprechung, auch Rechtsfortbildung, Kontrolle der königlichen Gesetzgebung (droit d’enregistrement); im 18. Jh. wichtigste Opposition mit Anspruch auf politische Repräsentation des ganzen Königreichs als Ersatz für die Generalstände.

3.2.3. Instrumente der Zentralgewalt zum Unterlaufen der autonomen Gewalten

  1. Zentrale Ratsgremien am Hof (conseils)
  2. Intendanten (kommissarische Amtsträger neben den adeligen Provinzgouverneuren) mit Unterbehörden, die aber nicht die einzelnen Untertanen erreichen
  3. Militär (stehendes Heer, Internationale Konflikte und Mächtesystem)
  4. Quasi-private Subunternehmer, die die hoheitlichen Aufgaben in eigener Regie mit erheblichem Gewinn ausüben (Steuerpächter, Offiziere etc.)
  5. Auf lokaler Ebene Pfarrer

Ämterkäuflichkeit beherrscht die französische Justiz und Verwaltung auf allen Ebenen: es gibt keine fest besoldeten, von oben eingesetzten Amtsträger, sondern solche, die ein Amt käuflich erwerben und anschließend finanziell nutzen; dies stellt ein Hindernis für Reformen dar.

Staatliche Modernisierungsmaßnahmen sind die Ausdehnung der staatlichen Regelungstätigkeit auf neue Bereiche, insbesondere die Wirtschaft zur Steigerung der Einkünfte. Wichtiges Steuerungsorgan sind die Generalkontrolleure der Finanzen.

Politik der effizienteren Durchdringung des Landes stößt auf Despotismusvorwurf und löst lokale Revolten aus. Die Revolution führt konsequenter durch, was absolute Monarchie nicht vermochte.