3.3.1. Erbliche Königreiche

England/Wales und Schottland sind erbliche Königreiche (auch weibliche Thronfolge); der König ist höchster Richter sowie Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche und zugleich der presbyterianischen schottischen Staatskirche. Der Hof des Königs ist die Zentrale eines Systems persönlicher Klientelbeziehungen mit zentraler Regierungsinstanz (Privy Council) und drei hohen Gerichtshöfen. Anders als auf dem Kontinent existiert eine einheitliche Rechtstradition des Common Law, keine Rezeption des Römischen Rechts. 

Schon im Mittelalter besteht ein hoher Grad an politischer Integration Englands, da es keine autonomen Herrschaftsgebiete großer Kronvasallen gibt wie im Gebiet des ehemaligen Frankenreiches.

3.3.2. Parlament

Das Parlament wurde schon im Mittelalter als zentrales Steuerungsinstrument der Krone zu Finanzaufbringung und Gesetzgebung (statute law) etabliert. Die höchste Gewalt liegt beim „King in Parliament“. 

Zusammensetzung: 

  • Lords (Hochadelige und hohe Kleriker)
  • Commons (gewählte Vertreter der counties, cities und borroughs)

Das Wahlrecht ist nicht allgemein und gleich, sondern an bestimmte wirtschaftliche Voraussetzungen gebunden; es existieren große historisch gewachsene Unterschiede, die sich durch die Bevölkerungsentwicklung im 18. Jh. immer mehr verschärfen.

Entwicklung: Schon im Mittelalter setzt die Krone zum Zweck der Finanzaufbringung durch, dass die Parlamentsmitglieder plena potestas haben, d.h. nicht an die Weisungen ihrer Wahlkörperschaften gebunden sind. Dies schafft die Voraussetzung dafür, dass das Parlament wichtige zentrale Gestaltungsfunktionen übernimmt und nicht nur Forum der verschiedenen zentrifugalen Partikularinteressen bleibt. Es wird weiterentwickelt zu einem politischen Instrument in der Hand einer relativ homogenen politischen Elite. Nach der Krise der Monarchie im Bürgerkrieg erfolgt die Restauration des Königtums und die Glorious Revolution 1689. 

Durchsetzung der Parlamentssouveränität, vertragliche Verpflichtung des Königs auf konstitutionelle Regierung: 

  • Bindung an das Parlament bei Gesetzgebung, Heeresaufstellung, Steuererhebung
  • regelmäßige Einberufung
  • Recht des Parlaments zu Anklagen, gegen die der König keine Gnadenmittel hat (impeachment)

Erst jetzt, motiviert durch viele Kriege für englische Handelsinteressen, erfolgt die Intensivierung des Steuersystems, v.a. mittels indirekter Steuern. Parlamentarische Kontrolle erhöht die Effizienz und Akzeptanz des Steuerwesens. 

Schon im 17. Jh. bilden sich zwei politische Gruppierungen im Parlament (Whigs und Tories) heraus, diese stellen aber noch keine ideologisch abgegrenzten Parteien dar, sondern eher konkurrierende politisch-soziale Netzwerke. Sozial getragen werden Regierung und Parlament von einer relativ homogenen adeligen Grundbesitzerschicht; das „Volk“ artikuliert sich nicht im Parlament.

Die vom König berufene Regierung kann sich meist auf das Parlament stützen, beide sind personell verflochten. Im 18. Jh. formiert sich zunehmend eine politische Opposition jenseits des Parlaments: sie wirft dem Parlament Patronage und „influence“ vor und kritisiert das ungleiche Wahlrechtssystem; unter dem Druck der Französischen Revolution und des Kriegs wird sie aber zurückgedrängt.

3.3.3. Lokale Ebene

Es existiert kein hierarchisch-bürokratisch von oben nach unten aufgebautes Justiz- und Verwaltungssystem, sondern eine hohe Autonomie der lokalen Ebene, die aber von derselben adeligen Grundbesitzerschicht getragen wird, die auch das Parlament beherrscht. Lokale Honoratioren üben als vom König ernannte Amtsträger Ehrenämter aus: Militärische Funktionsträger sind Lord-Lieutenants (Hochadel) und Deputy-Lieutenents (Landadel). Friedensrichter (Justices of the peace), die keine gelehrten Juristen sind, sind für Frieden, Recht und Ordnung zuständig. Pfarrer und Kirchenvorsteher haben soziale und Verwaltungsaufgaben.

Fazit: Das englische politische System ist wenig modern im Sinne Max Webers und schon gar nicht absolutistisch, auch nicht „freiheitlich“ im Sinne moderner Demokratie, aber machtpolitisch hoch effizient.