Quelle: Hobbes und Pufendorf

Über die menschliche Natur:
"Die Natur hat die Menschen hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten so gleich geschaffen, daß […] der Unterschied zwischen den Menschen alles in allem doch nicht so beträchtlich ist, als daß der eine auf Grund dessen einen Vorteil beanspruchen könnte, den ein anderer nicht ebensogut für sich verlangen dürfte. […] Aus dieser Gleichheit der Fähigkeiten entsteht eine Gleichheit der Hoffnungen, unsere Absichten erreichen zu können. Und wenn daher zwei Menschen nach demselben Gegenstand streben, den sie jedoch nicht zusammen genießen können, so werden sie Feinde und sind in Verfolgung ihrer Absicht, die grundsätzlich Selbsterhaltung und bisweilen nur Genuß ist, bestrebt, sich gegenseitig zu vernichten oder zu unterwerfen. […] Und wegen dieses gegenseitigen Mißtrauens gibt es für niemand einen anderen Weg, sich selbst zu sichern, der so vernünftig wäre wie Vorbeugung, das heißt, mit Gewalt oder List nach Kräften jedermann zu unterwerfen, und zwar so lange, bis er keine andere Macht mehr sieht, die groß genug wäre, ihn zu gefährden. Und dies ist nicht mehr, als seine Selbsterhaltung erfordert und ist allgemein erlaubt. […] So liegen also in der menschlichen Natur drei hautsächliche Konfliktsursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Mißtrauen, drittens Ruhmsucht." (Hobbes, Leviathan, 94f.)

"Mit allen Lebewesen, die im Besitz eines Empfindungsvermögens sind, hat der Mensch gemeinsam, daß er nichts so sehr liebt wie sich selbst und daß er mit allen Mitteln sich selbst zu erhalten bemüht ist. Was ihm gut zu sein scheint, will er besitzen, was ihm schlecht zu sein scheint, versucht er fernzuhalten. Dieser Trieb ist gewöhnlich so stark, daß er alle anderen verdrängt. […] Der Mensch ist also das Lebewesen, das am meisten auf seine Selbsterhaltung bedacht ist. Dabei ist er aber auf sich allein gestellt ganz hilflos. Er ist nicht in der Lage, ohne Unterstützung von seinesgleichen zu überleben, ist aber auch bestens geeignet zur gegenseitigen Förderung. Bei allem ist er jedoch böswillig, angriffslustig und leicht reizbar und ebenso schnell bereit, anderen zu schaden, wie er auch dazu in der Lage ist. Daraus ergibt sich, daß der Mensch, um zu überleben, ein Leben in der Gemeinschaft führen muß, d.h., er muß sich mit seinen Mitmenschen zusammentun und sich ihnen gegenüber so betragen, daß sie ihrerseits nicht jeden Vorwand ergreifen, ihm zu schaden, sondern statt dessen bereit sind, auch seinen Vorteil zu wahren und zu fördern." (Pufendorf, Pflicht, 46; 47f.)

Über den Naturzustand:
"Daraus ergibt sich klar, daß die Menschen während der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im Zaum haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden. Denn Krieg besteht nicht nur in Schlachten oder Kampfhandlungen, sondern in einem Zeitraum, in dem der Wille zum Kampf genügend bekannt ist. […] Deshalb trifft alles, was Kriegszeiten mit sich bringen, in denen jeder eines jeden Feind ist, auch für die Zeit zu, während der die Menschen keine Sicherheit als diejenige haben, die ihnen ihre eigene Stärke und Erfindungskraft bieten. In einer solchen Lage ist für Fleiß kein Raum, da man sich seiner Früchte nicht sicher sein kann; und folglich gibt es keinen Ackerbau, keine Schiffahrt, keine Waren, die auf dem Seewege eingeführt werden können, keine bequemen Gebäude, keine Geräte, um Dinge, deren Fortbewegung viel Kraft erfordert, hin- und herzubewegen, keine Literatur, keine gesellschaftlichen Beziehungen, und es herrscht, was das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes - das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft und kurz. […] Eine weitere Folge dieses Krieges eines jeden gegen jeden ist, daß nichts ungerecht sein kann. Die Begriffe von Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit haben hier keinen Platz. Wo keine allgemeine Gewalt ist, ist kein Gesetz, und wo kein Gesetz, keine Ungerechtigkeit. Gewalt und Betrug sind im Krieg die beiden Kardinaltugenden. […] Eine weitere Folge dieses Zustandes ist, daß es weder Eigentum noch Herrschaft, noch ein bestimmtes Mein und Dein gibt, sondern daß jedem nur das gehört, was er erlangen kann, und zwar so lange, wie er es zu behaupten vermag." (Hobbes, Leviathan, 96-98)

"Die Natur selbst will, daß zwischen den Menschen ein Band der Verwandtschaft besteht, kraft dessen es Unrecht ist, einem anderen zu schaden, und es sogar Pflicht ist, sich zum Vorteil anderer zur Verfügung zu stellen. Doch unter Menschen, die im Naturzustand leben, hat diese Verwandtschaft nur geringe Wirkungen. Daher ist jeder Mensch, der nicht unser Mitbürger ist, d.h. mit dem uns nur der Naturzustand verbindet, zwar nicht gerade als Feind anzusehen, aber doch jedenfalls nicht als zuverlässiger Freund. Der Grund dafür ist, daß die Menschen sich gegenseitig nicht nur sehr großen Schaden zufügen können, sondern sich aus vielfältigen Gründen auch sehr oft schaden wollen. Die einen bringt ihr böser Geist oder die Herrschsucht oder die Habsucht dazu, anderen Schaden zuzufügen. Andere, die von bescheidenem Geiste sind, greifen zu den Waffen, um sich zu verteidigen und zu verhindern, daß die anderen ihnen zuvorkommen. Viele werden durch das Begehren nach derselben Sache oder durch Wettbewerb auf geistigem Gebiet gegeneinander aufgebracht. Daher herrschen in diesem Zustand beinahe endlose Verdächtigungen, Mißtrauen, Bemühungen, die Stellung anderer zu untergraben, die Sucht, anderen zuvorzukommen oder aus dem Unglück anderer eigene Stärke zu gewinnen. Ebensosehr wie der rechtschaffene Mensch mit dem, was er hat, zufrieden ist, andere nicht angreift und nicht fremdes Gut begehrt, so sehr wird auch der vorsichtige Mensch, dem sein Heil lieb ist, die Menschen nur als Freunde von einer Art, die jederzeit zu Feinden werden kann, ansehen. Und er wird Frieden mit allen halten in dem Bewußtsein, daß er jederzeit in Krieg umschlagen kann." (Pufendorf, Pflicht, 146)