Quelle: Jean-Jacques Rousseau

Über den Gesellschaftsvertrag:
"Wenn man nun vom gesellschaftlichen Pakt alles Nicht-Wesentliche beseitigt, verdichtet er sich wie folgt: Jeder von uns stellt gemeinsam seine Person und ganze Kraft unter die oberste Richtlinie des allgemeinen Willens; und wir nehmen in die Gemeinschaft jedes Mitglied als untrennbaren Teil des Ganzen auf. Dieser Akt des Zusammenschlusses schafft augenblicklich und anstatt der Einzelperson jedes Vertragspartners eine sittliche und kollektive Gemeinschaft, die aus so vielen Mitgliedern besteht, als die Versammlung an Stimmen besitzt, und die aus diesem Akt heraus ihr gemeinschaftliches Ich, ihr Leben und ihren Willen erhält. Diese öffentliche Person, die aus dem Zusammenschluß aller ihr Leben bezieht, trug früher den Namen der Cité (Polis), und heißt heute Republik oder staatliche Körperschaft". (Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 27f.)

Über die bürgerliche Freiheit:
"Im Gesellschaftsvertrag verliert der Mensch seine natürliche Freiheit und ein unbeschränktes Recht auf alles, was er anstrebt und was er erreichen kann; er gewinnt im Gegenzug seine bürgerliche Freiheit und das Eigentum an allem, was ihm gehört. […] Man könnte dem Gesagten noch hinzufügen, daß wir mit dem Erwerb des bürgerlichen Standes auch sittliche Freiheit gewinnen, die allein den Menschen wirklich zum Herren seiner selbst macht; denn der Antrieb des bloßen Begehrens ist Sklaverei, nur der Gehorsam vor dem Gesetz, das man sich selber gegeben hat, ist Freiheit." (Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 32f.)

Über die Gesetze und Volkssouveränität:
"Aber wenn das ganze Volk über das ganze Volk bestimmt, sieht es sich nur selber, und wenn sich jetzt ein Verhältnis bildet, dann zwischen einem Ganzen unter einem Gesichtspunkt und wiederum dem Ganzen unter einem anderen Gesichtspunkt, ohne irgendeine Teilung. Dann ist die Sache, über die bestimmt wird, so allgemein wie der bestimmende Wille. Das Ergebnis eines solchen Vorgangs nenne ich ein Gesetz. […] Wie seine Verwaltung auch aussehen mag, nur einen durch Gesetze regierten Staat nenne ich Republik: Das öffentliche Anliegen und die >öffentliche Sache< besitzen nur dort ihre Gültigkeit. […] Die Gesetze sind genau genommen nur die Bedingungen, auf welchen die bürgerliche Gesellschaft beruht. Das den Gesetzen unterworfene Volk muß deren Urheber sein; nur jene, die sich zusammentun, haben das Recht, die Bedingungen dieser Gemeinschaft zu bestimmen". (Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 54-56)

Über die Nicht-Vertretbarkeit der Volkssouveränität:
"Die Souveränität kann nicht vertreten werden […]. Die Abgeordneten des Volkes sind also nicht seine Vertreter, noch können sie es sein; sie sind nur seine Beauftragten, nichts können sie endgültig beschließen. Jedes vom Volk nicht persönlich ratifizierte Gesetz ist nichtig; es ist kein Gesetz." (Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 129)

Über Staats- und Regierungsform und Gewaltenteilung:
"Jede freie Tat wird von zwei zusammenwirkenden Ursachen hervorgebracht, einer moralischen, dem die Tat bewirkenden Willen, und einer körperlichen, der die sie ausführenden Stärke oder Macht. […] Der Staatskörper hat genau die gleichen Beweggründe; man unterscheidet dort gleichfalls zwischen Kraft und Willen; ersteres heißt gesetzgebende Macht, zweiteres Exekutive. Ohne Zusammenwirken beider geschieht nichts oder darf nichts geschehen im Staat. Wir haben gesehen, daß die gesetzgebende Macht dem Volk angehört und nur bei diesem liegen darf. […] Ich nenne also Regierung oder oberste Verwaltung die rechtmäßige Ausübung der Exekutive, und Fürsten oder Obrigkeit den Menschen oder die Körperschaft, dem oder der diese Verwaltung anvertraut ist." (Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 79-81)

Über den Zusammenhang von Staat und Tugend:
"Aber wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt sich zu lockern und der Staat sich zu schwächen beginnt, wenn die Sonderinteressen spürbar werden und kleine Gruppierungen Einfluß auf die größere Gesellschaft erlangen, erlahmt das gemeinschaftliche Anliegen und findet Gegner. Bei Abstimmungen herrscht keine Einstimmigkeit mehr, der allgemeine Wille ist nicht länger der Wille aller, Einsprüche und Debatten werden laut, und der beste Ratschlag geht nicht mehr ohne Streitigkeiten durch.[…] Man ersieht aus dem vorangehenden Kapitel, daß die Art, in der die allgemeinen Angelegenheiten behandelt werden, ein ziemlich sicherer Gradmesser für den aktuellen Zustand der Sitten und der Gesundheit der politischen Körperschaft ist." (Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 140-142)

Über die ‘Zivilreligion’:
"Es gibt somit ein rein bürgerliches Glaubensbekenntnis, und es ist Aufgabe des Souveräns, dessen Artikel aufzustellen, wenngleich auch nicht als religiöse Dogmen, sondern als Ausdruck des sozialen Gewissens, ohne welches es unmöglich ist, ein guter Bürger oder ein treuer Untertan zu sein. Ohne jemanden zwingen zu können, daran zu glauben, kann er jedoch aus dem Staat verbannen, wer nicht an sie glaubt. […] Wenn jemand sich so verhält, als ob er an diese Dogmen nicht glaube, nachdem er sie öffentlich anerkannt hatte, soll er mit dem Tode bestraft werden […]. Die Dogmen der bürgerlichen Religion müssen einfach sein, es darf nur wenige davon geben, und sie müssen mit Genauigkeit, ohne Erklärungen und Kommentare, zum Ausdruck kommen. Das Vorhandensein der allmächtigen, wissenden, Gutes bewirkenden, vorhersehenden und fürsorgenden Gottheit, das zukünftige Leben, das Glück der Gerechten, die Bestrafung der Bösen, die Heiligkeit des Gesellschaftsvertrages und der Gesetze – dies alles sind positive Dogmen. Was die negativen angeht, so beschränke ich sie auf ein einziges: Die Intoleranz – sie gehört zu den Kulten, die wir ausgeschlossen haben." (Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 186f.)