Quelle: Justus Lipsius

Über die Selbstkontrolle der Affekte:
"Ändere und bessere dein Gemüt, das du schlimmerweise den Affekten überlassen, und seiner rechtmäßigen Herrin, der Vernunft, entzogen hast. Aus diesem verdorbenen Gemüt entsteht diese Verzagtheit, aus diesem herumreisenden Gemüt diese Mattigkeit! […] Aber wie viel besser wäre es […], wenn du die Quellen der menschlichen Verwirrungen ergründen würdest, Wälle und Burgen erbauest, in die du dich vor dem Ansturm der bösen Begierden einschließen und dich gegen sie schützen könntest. Das nämlich sind die wahren Heilmittel gegen deine Krankheit." (Lipsius, Standhaftigkeit, 23; 25)

Über die Zentraltugend der constantia/Standhaftigkeit
"Die Standhaftigkeit nenne ich also eine rechtmäßige und unbewegliche Stärke des Gemüts, die von nichts Äußerlichem oder Zufälligem hinweggehoben oder unterdrückt wird. - Eine Stärke, habe ich gesagt, und verstehe darunter eine innere Festigkeit des Gemüts, die nicht von einem Wahn herkommt, sondern aus einem begründeten Urteil und der rechten Vernunft. […] Die wahre Mutter der Standhaftigkeit aber ist die Geduld und Erniedrigung des Gemüts, die ich definiere als das zwanglose und klaglose Erdulden aller Dinge, die einem Menschen von irgendwoher geschehen oder widerfahren." (Lipsius, Standhaftigkeit, 29-31)

Über die Vaterlandsliebe:
"Diese Liebe zum Vaterland wird nämlich allgemein Ehrfurcht genannt, etwas, was ich, wie ich offen gestehe, nicht verstehe und das ich nicht im geringsten billige. Denn weswegen sollte es eine Ehrfurcht sein, wo ich doch weiß, daß die Ehrfurcht eine vortreffliche Tugend ist und in nichts anderem besteht als in der rechtmäßigen und geschuldeten Ehre und Liebe zu Gott und zu den Eltern? Warum darf sich nun das Vaterland dazwischen drängen? […] Aber das, wo wir geboren, aufgezogen etc. worden sind ist nicht unser Vaterland, sondern, wie ich gesagt habe, ein Status oder ein gemeinsames Schiff, entweder unter einem König oder unter einem Recht. Daß die Bürger ein solches Vaterland lieben sollen, gestehe ich zu; und daß sie es verteidigen, erkenne ich an. Daß sie ihr Leben dafür aufgeben, gestatte ich, aber nicht, daß sie darüber in Schmerzen vergehen, darniederliegen, klagen." (Lipsius, Standhaftigkeit, 71; 81)

Über das Erdulden von Tyrannei:
"Schließlich tadelst du auch die Herrschaft der Tyrannen unserer Zeit und die körperliche und geistige Unterdrückung. […] ‘Heute werden vor allem auch die Gemüter unterdrückt.’ Was sagst du ‘die Gemüter’? […] Mir scheint, daß derjenige, der meint, daß das Gemüt bedrängt und gezwungen werden könnte, sich selbst und die himmlische Natur seines Gemüts nicht kennt. Denn es wird wahrhaftig keine äußere Gewalt jemals fertig bringen, daß du das willst, was du nicht willst oder das meinst, was du nicht meinst. Das Gemüt kann jemand wohl in Fesseln legen oder binden, niemand aber in es selbst eingreifen. […] ‘Dennoch darf man die Gedanken des Gemüts nicht an den Tag legen.’ So sei es. Aber nur deiner Zunge werden Zügel angelegt, nicht deinem Gemüt, nicht deinen Meinungen, sondern deinen Taten." (Lipsius, Standhaftigkeit, 339; 343)

Über die notwendige Selbstkontrolle des Herrschers:
"There are to two things which make a prince legitimate and independent by his own means: Prudence and Virtue. While the first shines forth from his Actions, the last shines forth from his Life. I shall begin with Virtue; which must first be adopted by the King, and, through him, by those which he rules. With pleasure I hear Cyrus speak: who did not find anyone suitable for government who was not better than those which he was to govern." (Lipsius, Politica, 313)

Über die Verachtung der ‘Masse’ und deren Kontrolle:
"And the poet says quite rightly: It is not right to rely solely on force. Prudence is often stronger than a clenched fist. And notably in government it is obviously stronger: for only Prudence is that gentle bridle by which all are willingly brought within the circle of obedience. Look here: you can`t even tame the other animals without some kind of manipulation and technique; how then could you expect to do it with humans, who are the most wayward of animals, and who need the greatest skill in handling? We are by nature wild, indomitable, intolerant even of what is fair, let alone of servitude." (Lipsius, Politica, 349)

Über die Zulässigkeit unmoralischen Handelns des Herrschers:
"However, I am not arguing that Deceit and malice must be given free rein. Absolutely not. I shall clarify the matter by subdividing it into a number of categories, and, in order that you shall not roam too freely over this treacherous terrain, define it within ist own specific boundaries and limits. My genereal definition of deceit is: CLEVER PLANNING WHICH DEPARTS VOM VIRTUE OR THE LAWS, IN THE INTEREST OF THE KING AND THE KINGDOM. There are three kinds: light, middle and grave. Light deceit I call the kind WHICH DEPARTS ONLY SLIGHTLY FROM VIRTUE, AND CONTAINS NOT MORE THAN A LITTLE DROP OF MALICE, which category I take to contain Distrust and Dissimulation. The middle sort is that WHICH DEPARTS FURTHER FROM VIRTUE, AND COMES VERY CLOSE TO SIN. In which category I place Bribery and Deception. The third kind is that WHICH DEVIATES NOT ONLY FROM VIRTUE BUT EVEN FROM THE LAWS AND REPRESENTS A SOLID AND FULL-FLEDGED MALICE. Such as breach of faith and Injustice. I recommend the first kind, tolerate the second, and condemn the third." (Lipsius, Politica, 513)