Quelle: Martin Luther und Johannes Calvin

Über das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt:
"Darum hat Gott die zwei Regiment verordnet: das geistliche, welchs Christen und fromm Leut macht durch den heiligen Geist, unter Christo, und das weltliche, welchs den Unchristen und Bösen wehret, daß sie äußerlich müssen Fried halten und still sein ohn ihren Dank. […] Das weltlich Regiment hat Gesetz, die sich nicht weiter strecken, denn über Leib und Gut und was äußerlich ist auf Erden. Denn über die Seele kann und will Gott niemand lassen regieren, denn sich selbst alleine." (Luther, Obrigkeit, 33-46)

"Damit sich nun keiner an diesem Stein stößt, müssen wir zunächst bemerken, daß es unter den Menschen zweierlei Regiment gibt. Das eine ist geistlich: es unterweist das Gewissen zur Frömmigkeit und zur Verehrung Gottes." (Calvin, Unterricht, III, 19,15) "Das bürgerliche Regiment aber hat die Aufgabe, solange wir unter den Menschen leben, die äußere Verehrung Gottes zu fördern und zu schützen, die gesunde Lehre der Frömmigkeit und den (guten) Stand der Kirche zu verteidigen, unser Leben auf die Gemeinschaft der Menschen hin zu gestalten, unsere Sitten zur bürgerlichen Gerechtigkeit heranzubilden, uns miteinander zusammenzubringen und den gemeinen Frieden wie die öffentliche Ruhe zu erhalten." (Calvin, Unterricht, IV, 20,1)

Anmerkung: Die Unterschiede bestehen im Folgenden: "Heil und Herrschaft, bei Luther voneinander getrennt, spielten bei ihm [sc. Calvin] stets ineinander. Weil er im Unterschied zu Luther die beiden Reiche aneinander heranführte, mußte er auch darauf bestehen, daß eine Obrigkeit christlich sein und christlich handeln müsse." (Münkler, Reformation, 660)

Über das Gehorsamsgebot:
"Aufs erst müssen wir das weltlich Recht und Schwert wohl gründen, daß nicht jemand dran zweifel, es sei von Gottes Willen und Ordnung in der Welt. […] Nun aber das Schwert ein großer nötiger Nutz ist aller Welt, daß Fried erhalten, Sünd gestraft und des Bösen gewehret werde, so gibt er [sc. der Christ] sich auf allerwilligst unter des Schwerts Regiment, gibt Schoß, ehret die Obrigkeit, dienet, hilft und tut alles, was er kann, das der Gewalt förderlich ist, auf daß sie im Schwang und bei Ehren und Furcht erhalten werde". (Luther, Obrigkeit, 29; 36)

"Daraus ergibt sich dann weiter auch das zweite, nämlich, daß die Untertanen aus einer Gesinnung heraus, die bereit ist, der Obrigkeit gegenüber ihre Pflicht zu tun, ihr auch den schuldigen Gehorsam zu beweisen haben, ob es nun gilt, ihren Erlassen zu gehorchen oder die Abgaben zu entrichten oder die öffentlichen Dienste und Lasten zu übernehmen, die zur gemeinsamen Verteidigung dienen, oder irgendwelche sonstigen Anordnungen auszuführen. […] Nein, wir wollen uns vielmehr bemühen, etwas nachzuweisen, […] nämlich, daß in einem ganz üblen und jeglicher Ehre völlig unwürdigen Menschen, der nur die öffentliche Gewalt innehat, doch jene herrliche, göttliche Macht liegt, die der Herr in seinem Wort den Dienern seiner Gerechtigkeit und seines Gerichts übertragen hat, und daß dieser deshalb auch - soweit es den öffentlichen Gehorsam anbetrifft - , von den Untertanen die gleiche Ehrerbietung und Wertschätzung erfahren soll, die sie dem besten König erweisen würden, wenn er ihnen gegeben würde." (Calvin, Unterricht, IV, 20, 23; 25)

Über den Widerstand von Untertanen:
"Wenn nun dein Fürst oder weltlicher Herr dir gebeut, mit dem Papst zu halten, so oder so zu glauben, oder gebeut er dir, Bücher von dir zu tun, sollst du sagen: ‘Es gebührt Lucifer nicht, neben Gott zu sitzen. Lieber Herr, ich bin euch schuldig zu gehorchen mit Leib und Gut, gebietet mir nach eurer Gewalt Maß auf Erden, so will ich folgen. Heißt ihr aber mich glauben und Bücher von mir tun, so will ich nicht gehorchen. Denn da seid ihr ein Tyrann und greift zu hoch, gebietet, da ihr weder Recht noch Macht habt usw.’ Nimmt er dir darüber dein Gut und straft solchen Ungehorsam: selig bist du und danke Gott, daß du würdig bist um göttlichen Worts willen zu leiden, laß ihn nur toben, den Narren, er wird seinen Richter wohl finden. […] Frevel soll man nicht widerstehen, sondern leiden; man soll ihn aber nicht billigen, noch dazu dienen oder folgen oder gehorchen mit einem Fußtritt oder einem Finger." (Luther, Obrigkeit, 51f)

"Aber bei diesem Gehorsam, der, wie wir festgestellt haben, den Weisungen der Oberen zukommt, ist stets eine Ausnahme zu machen, ja, es ist vor allem anderen auf eines zu achten, nämlich daß er uns nicht von dem Gehorsam gegen den wegführt, dessen Willen billigerweise aller Könige Begehren untertan sein muß, dessen Ratschlüssen ihre Befehle weichen und vor dessen Majestät ihre Zepter niedergelegt werden müssen. […] Der Herr also ist der König der Könige, und wo er seinen heiligen Mund aufgetan hat, da muß er allein vor allen und über alle gehört werden; […] Wenn sie etwas gegen ihn befehlen, so ist dem kein Raum zu gönnen und zählt es nicht. […] Ich weiß, was für eine große und unmittelbare Gefahr dieser Beständigkeit droht. […] Aber da der himmlische Herold, Petrus, das Gebot kundgemacht hat: ‘Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen’ (Apg 5,29), so wollen wir uns mit der Erwägung trösten, daß wir jenen Gehorsam, den der Herr verlangt, dann leisten, wenn wir lieber alles Erdenkliche leiden, als von der Frömmigkeit weichen." (Calvin, Unterricht, IV, 20, 32)

Über den Widerstand der ‘niederen Obrigkeiten’:
"Es seind zwo fragen, die erste, ob di obrigkeit schuldig sei, sich und ire unterthanen wider unrechten gewalt zu schutzen wider gleiche fursten und wider den kaiser, besondern in dieser der religion sach. Daruff wir vormals unser antwort und bedencken gestelt, und ist an zweivel dieses di rechte gotliche warheit, di wir schuldig seint auch bis in thot zu bekennen, das nicht allein di defension zugelassen, sondern auch warhaftiglich und ernstlich einer iden potentat gepotten, das sie got diesen dienst schuldig seint, sich zu weren und zu schutzen, so sich imants, oberkeit oder andere, understunden, sie zu zwiengen, idolatri und verpotene gottes dienst anzunemen, item so imants unrechten gewalt in iren unterthanen zu uben furneme." (Luther u. a., Gutachten, 92f.)

"Denn wenn auch die Züchtigung einer zügellosen Herrschaft Gottes Rache ist, so sollen wir deshalb doch nicht gleich meinen, solche göttliche Rache sei uns aufgetragen - denn wir haben keine andere Weisung, als zu gehorchen und zu leiden. Dabei rede ich aber stets von amtlosen Leuten. Anders steht nun die Sache, wo Volksbehörden eingesetzt sind, um die Willkür der Könige zu mäßigen; von dieser Art waren z. B. vorzeiten die ‘Ephoren’, die den lakedämonischen Königen, oder die Volkstribunen, die den römischen Konsuln, oder auch die ‘Demarchen’, die dem Senat der Athener gegenübergestellt waren; diese Gewalt besitzen, wie die Dinge heute liegen, vielleicht auch die drei Stände in den einzelnen Königreichen, wenn sie ihre wichtigsten Versammlungen halten. Wo das also so ist, da verbiete ich diesen Männern nicht etwa, der wilden Ungebundenheit der Könige pflichtgemäß entgegenzutreten, nein ich behaupte geradezu: wenn sie Königen, die maßlos wüten und das niedrige Volk quälen, durch die Finger sehen, so ist solch ihr absichtliches Übersehen immerhin nicht frei von schändlicher Treulosigkeit; denn sie verraten ja in schnödem Betrug die Freiheit des Volkes, zu deren Hütern sie, wie sie wohl wissen, durch Gottes Anordnung eingesetzt sind!" (Calvin, IV, 20, 31)