1.4. Wandel der Wirtschaftsethik
von Barbara Stollberg-Rilinger
1.4.1. Die traditionelle Ethik
Die traditionelle Wirtschaftsethik, die der Subsistenzwirtschaft entsprach, war am einzelnen Haushalt (oikos) als Produktionseinheit orientiert und verbot den Erwerb um des Erwerbes willen. Erwerb erschien legitim immer nur zum Unterhalt des Hauses und zur Unterstützung der Notleidenenden. Traditionelles Zinsverbot der Kirche: Zinsen für Geld zu nehmen ist „Wucher“; Gewinn ohne Arbeit ist Raub und Todsünde (der Adel legitimierte seine standesgemäße Muße mit seinen kriegerischen Leistungen zum Schutz der anderen Stände). Arbeit ihrerseits erschien als Fluch und Folge des Sündenfalls.
1.4.2. Moderne Wirtschaftsethik
Die moderne Wirtschaftsethik wertete einerseits die Arbeit in allen Ständen gleichermaßen zum gottgefälligen „Beruf“ auf. Darüber hinaus zunehmende Aufwertung von Gewinnstreben und Eigennutz, die sich in einer arbeitsteiligen Marktwirtschaft zum Wohle der Allgemeinheit auswirkten („private vices“ werden zu „public virtues“; Hirschman, Leidenschaften). Verhaltensweisen, die in der Subsistenzwirtschaft vernünftig waren, wurden zunehmend als irrational stigmatisiert und bekämpft (Müßiggang, demonstrative Verschwendung, Hängen am Althergebrachten), stattdessen wurden Fleiß, Sparsamkeit, Innovationsfreude, Risikobereitschaft, langfristiges Planen, etc. propagiert.