3.1. Was ist Aufklärung?

3.1.1. Aufklärung als Epochenbegriff

Mit dem Modewort „Aufklärung“ bringen die Zeitgenossen im späten 18. Jh. den Anspruch ihrer eigenen Epoche auf den Begriff: „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant), fortschreitender Siegeszug der autonomen menschlichen Vernunft, Emanzipation von nicht rational gerechtfertigten Traditionen und Autoritäten, unabgeschlossener innerweltlicher Fortschrittsprozess.

Im Laufe des 19. Jh.s wird dieser Anspruch historisch relativiert und zum geistesgeschichtlichen Epochenbegriff für das gesamte 18. Jh. erhoben. Die neuere Forschung betont den sozial- und mediengeschichtlichen Charakter dieser Bewegung.

3.1.2. Prinzip der Kritik, Autonomie der Vernunft

Der Legitimationsverlust der traditionellen Autoritäten durch die Konfessionskonflikte führt zu der Forderung nach methodischem Zweifel und prinzipieller Kritik aller Tradition (Descartes). Man glaubt, dass die allen Menschen prinzipiell gemeinsame Vernunft sie dazu fähig mache, Vorurteile, Aberglauben und angemaßte Autorität zu durchschauen und immer klarere Begriffe zu entwickeln. Die Frage, wie autonome menschliche Erkenntnis überhaupt möglich ist, wird neu gestellt und unterschiedlich beantwortet (Rationalismus vs. Empirismus).

Auch die Offenbarungswahrheit wird dem Maßstab der menschlichen Vernunft unterworfen. Man sucht nach einer allen Konfessionen und Hochreligionen gemeinsamen „Vernunftreligion“, fordert Toleranz und Gewissensfreiheit, betont die religiöse Ethik vor Kultus und Dogma. Zum Teil wird scharfe Kirchenkritik am „Pfaffenbetrug“ geübt, allerdings selten bis zur Konsequenz des Atheismus.

3.1.3. Praxis- und Diesseitsorientierung

Der Grundzug der Aufklärungsbewegung ist pragmatisch, auf praktisches Handeln zum Wohl der Menschen im Diesseits gerichtet. Die Erfolge in der praktisch-technischen Naturbeherrschung auf der Grundlage neuer empirischer Methoden (Wissenschaftliche Revolution) führen zu einem begeistertem Fortschritts- und Machbarkeitsoptimismus. Die großen wissenschaftlichen Theorien dafür sind schon im 17. Jh. formuliert worden; nun geht es um deren Zusammenführung, Prüfung, Popularisierung und vor allem praktische Nutzbarmachung. „Nützlichkeit“ wird zum zentralen Maßstab; „Glückseligkeit des ganzen Menschengeschlechts“ schon auf Erden rückt in die Nähe aktiver Gestaltbarkeit. Die physikalische Natur verliert ihren Schrecken und ihre Unberechenbarkeit; man glaubt daran, sie auf Dauer rational, nicht magisch, beherrschen und den menschlichen Zwecken dienstbar machen zu können (Bsp. Angst vor dem Gewitter: Blitzableiter statt Abwehrmagie). Ebenso scheinen auch alle menschlichen Verhältnisse in zweckmäßiger Weise nach vernünftigen Prinzipien systematisch geordnet werden zu können (Reformabsolutismus).