3.3. Aufklärung als Kommunikationsprozess

3.3.1. Aufklärung als Kommunikation

Aufklärung ist eher von ihren Formen als von bestimmten Inhalten her zu charakterisieren: Ideal ist der vernünftige, gesellige Diskurs als prinzipiell unabgeschlossener Prozess menschlicher Vervollkommnung; es geht nicht um den Besitz der Wahrheit, sondern um ihre Nachforschung (Lessing). Diesem Ideal liegt ein Wandel der Kommunikationsbedingungen zugrunde, nämlich:

3.3.2. Expansion des Druckmarktes

Die wachsende Bedeutung schriftlicher Kommunikation führt zu Explosion des Druckmarktes; das Buch wird Massenware. Die Anzahl gedruckter Werke nimmt zu, die Auflagen steigen, die Preise sinken; durch Lesegesellschaften und öffentliche Bibliotheken wird eine breitere Zugänglichkeit ermöglicht. Das Schwergewicht des Gedruckten verlagert sich von religiösen auf profane Schriften, von Latein auf Volkssprache; der Anteil der Belletristik wächst. Das verändert das Verhältnis zu Buch und Buchwissen: statt wiederholter, kollektiver Lektüre weniger autoritativer Schriften erfolgt nun eine extensive, stille Einzellektüre vieler verschiedener Schriften; die Folgen sind „Desakralisierung“ des Buches, „Wettbewerb“, „Markt der Ideen“.

3.3.3. Zeitschriften- und Zeitungswesen

Ursprünglich gab es handschriftlich vervielfältigte Nachrichten (avvisi) für einen exklusiven Leserkreis. Laufende Zeitungsboten waren für die Verbreitung der mündlichen, dann schriftlichen „Neuen Zeitungen“ zuständig. Erste regelmäßig gedruckte Nachrichtenblätter im Reich entstanden in Straßburg (1605), Amsterdam, Frankfurt (1615), Hamburg (1618), Danzig (1619), Köln (1620); eine Blüte erlebte das Zeitungswesens v.a. im Reich, wo wegen der politischen Zersplitterung keine effiziente Zensur durchführbar war und es viele Druckzentren gab. Im 18. Jh. hatten Wochen- und Monatsschriften nach englischem Vorbild mit praktisch-moralischen Themen Konjunktur; es folgte eine rasche Ausdifferenzierung verschiedener Zeitschriftengattungen. Im letzten Viertel des 18. Jh.s entstand mit zunehmender Politisierung ein politischer Meinungsjournalismus. Die Arkanpolitik der Höfe wird grundsätzlich delegitimiert; das gebildete Publikum erhebt Anspruch auf ein politisches „Richteramt“; allein von „Publizität“ und öffentlichem Diskurs erwartet man langfristig die Überwindung politischer Missstände; die Pressefreiheit wird eine zentrale Forderung.

3.3.4. „Strukturwandel der Öffentlichkeit“

Jürgen Habermas fasst diesen Prozess als Wandel von der vormodernen „repräsentativen Öffentlichkeit“ (die Herrschaftsträger inszenieren ihre Herrschaft demonstrativ vor den Untertanen) zur modernen „bürgerlichen Öffentlichkeit“: Öffentlichkeit als Sphäre der diskursiven politischen Urteilsbildung eines ständeübergreifenden gebildeten Lesepublikums, das Anspruch auf generalisierte politische Partizipation erhebt.

3.3.5. Verhältnis zur Revolution

Die revolutionäre politische Sprengkraft der Aufklärung als geistiger Bewegung (neues Verständnis von „politischer Freiheit“, Wegbereitung des modernen demokratisch-parlamentarischen Rechtsstaats) wird von der neueren Forschung eher gering eingeschätzt. Der politische Rationalismus der Aufklärung diente mindestens ebenso sehr der Steigerung der Staatsgewalt wie der Kritik daran.