Quelle: Anonymer Bericht über Unruhen in Wittenberg

[o. O., zwischen 16. Februar und 6. März 1522]

„Item, der probst zů Wyttemburg hat ein volckyn [Katharina Falk] zů der Ee genomen. 

Ein barfußer můnch ist ein schustre worden und eins burgers dochter genomen. Ein ander barfußer ist ein beck worden und ein fraw gnomen. 

Ein augustiner ist ein schriner worden und ein frawn genomen.

docter veltkyrch hat syn köchin genomen.

der Rott zů Wittemburg [Rat tz Wittenberg] hat den barfußern und augustinern gsagt, Sy sollen die closter vor mitfasten [30. März] rumen, und haben alle clinodt [Kleinodien] in klostern uff gzeychnet. All gemein frawen sin vertriben; sitz einer jn der vnee [Konkubinat], der muß sy elichen oder faren lossen.

der ratt hat XIIII menner gesetzt oder gordnet, die sollen alle arme leut de in der [sic] weyssen; den gidt der ratt von den geischlichen, einem yegklichen noch siner notdorfft, einem alten prister vi gulden, ein junger sol ein hanwurt [Handwerk] leren.

Eyner jst ein saltzfurer Worden noch by der stat. Item, her Cunrat, meyns gnedigen heren senger, hat all sin lehen verlossen. Her paulus, důmherr zů Wyttemburg, senger gewest, hat alle sin lehen verlossen; der pfarher jn der stat hot alle syn lehen verlossen.

die pfarhern und ander trefflich herren, die mir unbekant seyn.

die pfar kilch [Pfarrkirche] stet alle tag zů, on am sontag helt man ein tutsche meß dar jn und prediget; und das volck godt ser zum hochwirdigen sacrament und nements selbs uff dem altar und nement den kelch selbs jn die handt und trincken das blůt christi. Zů der lach helt unser bischoff jn der pfarhen tutsche meß, und das volck Conmuniciert auch sub utraque specie. Nements auch beider gstalt vom altar.

des glichen hat man zů gessen [Jessen], zů schmidtberg [Schmiedeberg], Eilenburg, zů hertzberg am sontag noch valentini [16. Februar] angefangen. Am sontag nach valentini ist ein fremder prister zů den barfüsern jn der predich gewesen, hat mit lutter stim gesachtt: her domine, sagtt uns von dem Evangelio; das ist zum andren mall geschehen, dar noch ist der můnch vom predig stůl gangen.

Zů schleben [Schlieben] hat der pfarrer gprediget, do sagt ein student von Wittenburg: liebes volck, her lucht und legt dy heylg geschrifft falsch uß; do ist er in gefengnis gesetzt worden und hat sich herbotten, mit dem pfarrer zu disputieren, do hat der student recht behalten und den pfarrer uber wunden.

Mynch und pfaffen lassen blatten verwassen [lassen sich die Haare wachsen] und nemmen ewiber.“

  • zitiert nach: Ruth Kastner (Hrsg.), Quellen zur Reformation 1517-1555. Darmstadt 1994, 131-132.