Quelle: Der Augsburger Religionsfriede

Der Augsburger Reichsabschied vom 25. September 1555 

„[...]
§ 9. Als sich aber gleich alsbald in der Berathschlagung eräugt, daß nach Grösse und Weitläufftigkeit dieser Tractation über die Hauptarticul und Sachen Unsers Heiligen Christlichen Glaubens, Ceremonien und Kirchen-Gebräuchen die endliche Vergleichung dieses trefflichen Articuls in weniger Zeit nicht wol zu finden, und dann alle Gelegenheiten sich dermassen ansehen lassen, daß noch wol allerhand Unruhe und Kriegs-Empörungen, dadurch gemeine Sicherheit gestöhret werden, im H. Reich Teutscher Nation entstehen, dadurch auch, wo nicht zuvor ein beständiger Fried, Execution und Handhabung desselben im H. Reich aufgericht, die Stände und Bottschafften von solcher fürgenommener heilsamer Tractation und Berathschlagung wol abgehalten oder verhindert werden mögen.

§10. So ist durch die Stände, Bottschafften und Gesandten aus jetzterzehlten Bedencken und erheischender Noth für rathsam, fürträglich und nothwendig angesehen, auch Uns in Unterthänigkeit vermeldet, daß die Tractation dieses Articuls der Religion auf andere gelegene Zeit einzustellen. [...]

§ 15. [...] so sollen die Kayserl. Maj., Wir, auch Churfürsten, Fürsten und Stände des H. Reichs keinen Stand des Reichs von wegen der Augspurgischen Confession und derselbigen Lehr, Religion und Glaubens halb mit der That gewaltiger Weiß überziehen, beschädigen, vergewaltigen oder in andere Wege wider sein Conscientz, Gewissen und Willen von dieser Augspurgischen Confessions-Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Ceremonien, so sie aufgericht oder nochmals aufrichten möchten, in ihren Fürstenthumen, Landen und Herrschafften tringen oder durch Mandat oder in einiger anderer Gestalt beschweren oder verachten, sondern bey solcher Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Ceremonien, auch ihren Haab, Gütern, liegend und fahrend, Land, Leuthen, Herrschafften, Obrigkeiten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten ruhiglich und friedlich bleiben lassen, und soll die streitige Religion nicht anders dann durch Christliche, freundliche, friedliche Mittel und Wege zu einhelligem, Christlichem Verstand und Vergleichung gebracht werden, [...].

§ 18. [...] Wo ein Ertzbischoff, Bischoff, Prälat oder ein anderer Geistliches Stands von Unser alten Religion abtretten würde, daß derselbig sein Ertzbistumb, Bistumbe, Prälatur und andere Beneficia, auch damit alle Frucht und Einkommen, so er davon gehabt, alsbald ohn einige Verwiderung und Verzug, jedoch seinen Ehren ohnnachtheilig, verlassen, auch den Capituln, und denen es von gemeinen Rechten oder der Kirchen und Stifft Gewohnheiten zugehört, ein Person, der alten Religion verwandt, zu wehlen und zu ordnen zugelassen seyn, [...].

§ 20. Damit auch obberührte beederseits Religions-Verwandte so viel mehr in beständigem Frieden und guter Sicherheit gegen und bey einander sitzen und bleiben mögen, so soll die geistliche Jurisdiction [...] wider der Augspurgischen Confessions-Verwanten Religion, Glauben, Bestellunge der Ministerien, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Ceremonien, so sie uffgericht oder uffrichten möchten, biß zu endlicher Vergleichung der Religion nicht exercirt, gebraucht oder geübt werden, sondern derselbigen Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen, Ceremonien und Bestellung der Ministerien [...] ihren Gang lassen, und kein Hindernus oder Eintrag dardurch beschehen, und also hierauf, wie obgemeldt, biß zu endlicher Christlicher Vergleichung der Religion die geistliche Jurisdiction ruhen, eingestellt und suspendirt seyn und bleiben; [...].

§ 24. Wo aber Unsere, auch der Churfürsten, Fürsten und Stände Unterthanen der alten Religion oder Augspurgischen Confession anhängig, von solcher ihrer Religion wegen aus Unsern, auch der Churfürsten, Fürsten und Ständen des H. Reichs Landen, Fürstenthumen, Städten oder Flecken mit ihren Weib und Kindern an andere Orte ziehen und sich nieder thun wolten, denen soll solcher Ab- und Zuzug, auch Verkauffung ihrer Haab und Güter gegen zimlichen, billigen Abtrag der Leibeigenschafft und Nachsteuer, wie es jedes Orts von Alters anhero üblichen, herbracht und gehalten worden ist, unverhindert männiglichs zugelassen und bewilligt, auch an ihren Ehren und Pflichten allerding unentgolten seyn. Doch soll den Oberkeiten an ihren Gerechtigkeiten und Herkommen der Leibeigenen halben, dieselbigen ledig zu zehlen oder nicht, hiedurch nichts abgebrochen oder benommen seyn. [...]

§ 25. [...] so haben Wir [...] diese löbliche Nation vor endlichem, vorstehendem Untergang zu verhüten, und damit man desto ehe zu Christlicher, freundlicher und endlicher Vergleichung der spaltigen Religion kommen möge, bewilligt, solchen Frieden in allen obgeschriebenen Articuln biß zu Christlicher, freundlicher und endlicher Vergleichung der Religion und Glaubens-Sachen stät, fest und unverbrüchlich zu halten und demselben treulich nachzukommen. Wo dann solche Vergleichung durch die Wege des General-Conciliums, National-Versammlung, Colloquien oder Reichs-Handlungen nicht erfolgen würde, soll alsdann nicht destoweniger dieser Friedstand in allen oberzehlten Puncten und Articuln bey Kräfften biß zu endlicher Vergleichung der Religion und Glaubens-Sachen bestehen und bleiben und soll also hiemit obberührter Gestalt und sonst in alle andere Wege ein beständiger, beharrlicher, unbedingter, für und für ewig währender Fried aufgericht und beschlossen seyn und bleiben.“

  • aus: Arno Buschmann, Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten. Teil I: Vom Wormser Konkordat 1122 bis zum Augsburger Reichsabschied von 1555. 2. Aufl. Baden-Baden 1994, 221-227.