3.3. Sicht der Zeitgenossen

3.3.1. Der Krieg als göttliches Strafgericht

Der Krieg wurde von den Zeitgenossen in ein umfassendes, in der Heiligen Schrift offenbartes göttliches Straf- und Heilsgeschehen eingeordnet. Man verstand das ganze Gemeinwesen (Dorf, Stadt, Land) als christliches Kollektiv. Eine Obrigkeit, die Sünde und Ketzerei in der Gemeinschaft duldete und nicht unnachsichtig dagegen vorging, musste damit rechnen, die göttliche Strafe auf das ganze Gemeinwesen herabzulenken. Nicht zuletzt aus diesem Grund verlangten die Untertanen selbst oft mit Nachdruck von ihren Obrigkeiten, mit größerer Härte gegen die im Innern der Gemeinschaft agierenden „Feinde“ vorzugehen. Als solche galten neben den Juden vor allem Zauberer und Hexen, die deshalb so gefährlich erschienen, weil man überzeugt war, dass sie sich insgeheim mit dem Satan selbst verschworen hätten und den Zorn Gottes auf das ganze Gemeinwesen herauszufordern drohten, wenn man ihrer nicht Herr wurde. 

Das Kriegsgeschehen wurde entsprechend als göttliche Strafe oder göttliche Lehre oder beides verstanden: als bittere, aber heilsame Pille für die Gläubigen oder als göttliche Zuchtrute für Sünde, Laster und mangelnde Buße. Um das Unheil abzuwenden, verhängten die Obrigkeiten nicht nur besonders strenge Strafen gegen Fluchen und Gotteslästerung, sondern ordneten auch regelmäßige öffentliche Betstunden und Bußgottesdienste an. Es gab vielerorts über Jahrzehnte hinweg wöchentliche kollektive Gebete gegen die Kriegsnot im Allgemeinen, aber auch obrigkeitlich angeordnete Gottesdienste zu bestimmten politischen Anlässen, etwa vor der Einberufung des Reichstags und vor allem bei der Aufnahme der Friedensverhandlungen, zu denen man den göttlichen Beistand erflehte. Die Obrigkeit legte fest, welche Psalmen zu singen und welche Schriftstellen zu lesen waren. So wie die Sünde als etwas kollektiv zu Verantwortendes erschien, so wie das Leiden etwas kollektiv Erfahrenes war, so waren auch die Bußgebete öffentliche Akte der ganzen Gemeinschaft. 

3.3.2 Kometen und weitere Zeichen

Die Erscheinungen der materiellen Welt wurden als Zeichen gedeutet, durch die Gott sich den Menschen mitteilte. So vor allem eine Kometenerscheinung des Winters 1618/19, wie der Ulmer Schuhmacher Johannes Heberle in seiner Chronik des Krieges aus der Rückschau bezeugt.

Die Ereignisse der folgenden dreißig Jahre ließen sich immer wieder auf diese Drohung beziehen und bestätigten die anfängliche Deutung immer aufs Neue („Was er bedeht [...] das selbig ist mit heyßen trenen zu beweinen, wie wir leider das selbig woll erfahren und erfahren haben“) – eine Auslegung, die in zahlreichen Predigten und Flugschriften der Zeit in Umlauf war.

Der Komet des Jahres 1618 war nicht das einzige Zeichen, das man in diesem Sinne auslegte. Während des Krieges erregten immer wieder besonders spektakuläre Wunderzeichen Aufmerksamkeit: außer mehreren Kometen waren es Blutstropfen und Feuerkugeln, die vom Himmel fielen, Erdbeben, die auf die Öffnung der Gräber am Jüngsten Tag hinwiesen, feurige Bilder am Himmel, die das zukünftige Geschehen abbildeten. Die Kriegsgräuel, die darauf meist zuverlässig folgten, lösten die göttlichen Drohungen ein und bestätigten die Deutungen der Zeitgenossen. So notierte der erwähnte Ulmer Schuhmacher nach der Schlacht bei Leipzig 1642: „Es sind in disem jar vhll wunderzeichen geschehen vor disem treffen vor Leipzig. An der Pomerischen grentz hat es blut geregnet. Man hatt in der lufft bloße und blutige degen gesehen. Es ist auch zu Leipzig, bey Sant Peters thor, in einem graben blut gequolen, welche die blutige schlacht bedeutet.“ Vor allem protestantische Prediger griffen diese Zeichen auf und nahmen sie zum Anlass für ihre Bußpredigten, die nicht selten in großer Auflage als Druckschriften verbreitet wurden. 

Nicht nur als Drohung, auch als Trost und Verheißung des kommenden Retters konnte man solche Zeichen deuten und sie damit als Instrumente konfessioneller Propaganda nutzen. So hieß es nach dem kaiserlichen Restitutionsedikt von 1629, Gott habe ein Wunder an den Himmel gestellt „denen evangelischen burger zum sondre trost“: Ein großes Kriegsheer konnte man sehen und einen gewaltigen Reiter mit glänzendem Schwert voran, der sich unschwer als der Schwedenkönig Gustav Adolf identifizieren ließ: „Das hat bedeutet, das Gott sein volckh von der trangsall ereten woll und durch den reiter mit dem schwert schützen und erlessen well, wie dan solches alles geschehen ist“. Die überregionale Verbreitung solcher Wunderzeichen und Naturerscheinungen in Flugschriften und Zeitungen, mündlichen und gedruckten Predigten schärfte die kollektive Wahrnehmung und sensibilisierte die Gläubigen für neue göttliche Fingerzeige.