3.4. Westfälischer Friede (1648)
Der Westfälische Friede beendet den Dreißigjährigen Krieg, der ein Bündel aus verschiedenen, miteinander verschränkten konfessionellen, verfassungs- und mächtepolitischen Konflikten war und in den nahezu alle europäischen Mächte verwickelt waren (Dreißigjähriger Krieg). Bei den jahrelangen multilateralen Verhandlungen (1643-48) im katholischen Münster und evangelischen Osnabrück sind daher Gesandte fast aller europäischen Mächte und der einzelnen Reichsstände beteiligt. Der Friedensvertrag (IPO, IPM) ist ein völkerrechtlicher Vertrag und zugleich ein Reichsgrundgesetz. Kaiser und Papst sind insgesamt die Hauptverlierer, Frankreich und Schweden die Hauptgewinner des Krieges.
Wichtigste Ergebnisse neben der Vielzahl der Einzelregelungen sind:
3.4.1. Konfessionsfrage im Reich: „Toleranz“?
Ergebnisse in Bezug auf die Konfessionsfrage sind:
Gleichberechtigung der drei Konfessionen
Restitution der geistlichen und weltlichen Rechtsverhältnisse gemäß „Normaltag“ des 1.1.1624, d.h. es gilt die Konfessionszugehörigkeit dieses Stichtages, spätere Wechsel sind zu tolerieren
Reichsstände behalten ihre Kirchenhoheit, dürfen aber andersgläubige Untertanen nicht diskriminieren, diese dürfen ihren Glauben privat ausüben
Geistliche Fürsten dürfen nicht zum Protestantismus wechseln; der „geistliche Vorbehalt“ sieht vor, dass katholische Fürsten bei einem Konfessionswechsel ihr Amt als Landesherr verlieren
Quelle: Friedensvertrag, Regelung der konfessionellen Verhältnisse im Reich, 1648
Die Reichsverfassung wird so modifiziert, dass keine Konfession die andere mehr dominieren kann:
Dies erfolgt durch eine paritätische Besetzung des Reichskammergerichts und der Ämter in bikonfessionellen Reichsstädten
auf Reichstagen gilt in Religionssachen nicht das Mehrheitsprinzip, das bislang den katholischen Reichsständen einen Vorteil verschaffte, sondern ein Zwang zu „freundschaftlicher Einigung“ (amicabilis compositio) der beiden Religionsparteien
Die Konfessionsproblematik verschwindet allerdings nicht. Im Gegenteil wird die Reichspolitik langfristig konfessionell polarisiert. Insgesamt bildet das Verfassungssystem des Reiches in der Folgezeit den Rahmen für eine konfessionelle Koexistenz der Reichsstände und für eine juristische Austragung politisch-sozialer Konflikte. Der Papst verweigert dem Westfälischen Frieden seine Anerkennung.
3.4.2. Verfassungsfrage: Souveränität
Der Westfälische Friede besiegelt, dass der Weg zu souveräner Staatlichkeit nicht vom Reichsganzen unter dem Kaiser, sondern von den mächtigen Reichsfürsten in ihren Territorien beschritten wird. Die Reichsfürsten bekommen die freie Ausübung ihrer Landeshoheit einschließlich Bündnisrecht, d.h. einen quasi-souveränen Status verbrieft (den die meisten aber kaum ausfüllen können) sowie ein korporatives Mitbestimmungsrecht in allen Reichsangelegenheiten auf dem Reichstag, der sich in der Folgezeit zu einem „immerwährenden“ Gesandtenkongress und Kommunikationsforum zwischen Kaiser und Reichsständen verstetigt.
Die Schweizer Eidgenossenschaft und (im parallel ausgehandelten niederländisch-spanischen Frieden) die Republik der Vereinigten Niederlande werden als souveräne Staaten anerkannt. Sie erhalten innerhalb ihrer Territorien alle Hoheitsrechte, sind aber weiterhin Mitglieder des Reichs und an Reichsgesetze gebunden.
Der Dreißigjährige Krieg erweist sich als „Staatsbildungskrieg“ ( J. Burkhardt), d.h. in den Konflikten ging es um die Erlangung staatlicher Souveränität.
3.4.3. Mächtepolitische Regelungen und Folgen
Frankreich und Schweden erhalten territoriale und finanzielle Zugeständnisse (Kriegsentschädigungen) und werden Garantiemächte des Friedens. Obwohl der Vertrag in der Folgezeit keinen allgemeinen Frieden in Europa herbeiführt, wird er zur Grundlage eines neuen völkerrechtlichen Systems. Im Rahmen des Westfälischen Friedens werden die rechtliche Ordnung und die neuen politischen Kommunikationsformen des europäischen Mächtesystems ausgehandelt. Letzteres wird nicht mehr als universelle Hierarchie ungleicher Herrschaftsträger unter Papst und Kaiser, sondern als Gemeinschaft prinzipiell gleichberechtigter, unabhängiger, souveräner Staaten definiert.