5.3. Entwicklungstendenzen in der Frühen Neuzeit

5.3.1. Gewandelte Anforderungen

Der Strukturwandel seit dem Spätmittelalter, der durch eine zunehmende Geld- und Marktwirtschaft, das Wachstum der fürstlichen Territorialgewalt und die Folgen der Reformation deutlich wird, stellt den niederen Adel im 16. Jh. vor eine Anpassungskrise. Faktoren hierfür sind:

  • Preissteigerung
  • steigende Ansprüche an eine standesgemäße Lebensführung
  • Prestigekonkurrenz reicher Stadtbürger
  • teilweise Grundrentenverfall
  • Verlust kirchlicher Pfründen
  • Verdrängung als fürstliche Ratgeber durch bürgerliche gelehrte Räte
  • Eindringen Bürgerlicher ins gewandelte Militärwesen etc.
  • Aussterben vieler niederadeliger Familien

5.3.2. Anpassungsstrategien

Im Laufe des 16./17. Jh.s stellt sich der Adel weitgehend erfolgreich auf den Wandel ein: 

  • Ausdehnung und kommerzielle Nutzung herrschaftlicher Rechte
  • Ausdehnung gutsherrlicher Eigenbetriebe
  • familiale Heirats-, Erb- und Abfindungsregeln vermeiden Besitzzersplitterung und stabilisieren die Standesgrenzen
  • Monopolisierung von Spitzenämtern in Militär, Diplomatie, Regierung durch Anpassung an gestiegene Qualifikationserfordernisse (adeliges Studium; Bildung wird „aristokratisiert“)

Umgekehrt werden aufgestiegene Bürger langfristig dem Adel assimiliert (Nobilitierung von Spitzenbeamten; Refeudalisierung von Handelskapital).

5.3.3. Wandel des adeligen Habitus vom Ritter zum Höfling

Der Königs- bzw. Fürstenhof, ursprünglich der erweiterte Haushalt des Landesherrn, wird zum festen Ort (Residenz) einer professionalisierten Regierung und Verwaltung und zugleich zum kulturellen Zentrum, in dem das für die standesgemäße adelige Lebensführung unerlässliche ökonomische, soziale und kulturelle „Kapital“ (Bourdieu; Elias) konzentriert ist in Form von:

  • Gnadengeschenken, Pensionen, Ämtern
  • Beziehungen, Patronage, Einfluss
  • gesteigerter Zeremonialisierung und Prachtentfaltung, Luxuskonsum, künstlerischer Spitzenleistungen etc.

Statt des kriegerischen Habitus („Raubritter“-Topos) bildet sich ein verfeinerter, höfisch-„zivilisierter“ Habitus, der sich durch mühelose Körperkontrolle und zeremonialisierten Umgangsstil auszeichnet. Es entsteht eine zunehmende Konkurrenz zwischen einfachem Land- und verfeinertem, französisch beeinflusstem Hofleben (Hofkritik an Günstlingswirtschaft, Verstellungszwang, Libertinage, dagegen neues Natürlichkeitsideal der Aufklärung). 

  • Höfisches Fest, Maskenball, „Bönnsches Ballstück“
  • Natürlichkeitsideal, Daniel Chodowiecki, Afectation und Natur
  • Raubritter („Mars-Kinder“) überfallen ein Dorf, Hausbuchmeister 1475

Insgesamt verliert der Adel an Autonomie und landständischer politischer Partizipation, dafür erfolgt die funktionale Einbindung als Diener des Fürstenstaats und eine weitgehende Stabilisierung der ökonomischen Stellung.